Corona, Energiekrise, Inflation und Klimawandel: Deutsche Arbeitnehmer und Unternehmen gleichermaßen sehen sich in diesem Jahr mit so vielen Krisen wie noch nie konfrontiert. Was hat das für Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit, die wie kaum ein anderer Faktor die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst? Wie steht es um das Sicherheitsdenken, die Existenzängste und die Unter- oder Überforderung der Menschen? Die Ergebnisse einer aktuellen Studie sind teilweise sehr überraschend. Darunter auch die Frage: Sind deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterfordert?
Die Ergebnisse der "Arbeitszufriedenheits-Studie 2022", die das Marktforschungsunternehmen YouGov im Auftrag des Personaldienstleisters Avantgarde Experts in diesem Sommer durchführte, zeigen klare Tendenzen im deutschen Arbeitnehmermarkt: Die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen ist zwar gesunken, aber nicht so stark wie befürchtet. Dafür steigt das Sicherheitsbedürfnis an und Arbeitnehmer lassen besonders ein Krisenthema mit in die Jobwahl einfließen: Umwelt und Klimaschutz. Befragt wurden für die Studie über 1.000 erwerbstätigen und nicht-selbstständig arbeitenden Personen, die bevölkerungsrepräsentativ nach Alter (ab 18 Jahren), Geschlecht und Region sondiert wurden
Ein sicherer Job hat oberste Priorität – trotzdem will jeder Fünfte einen Jobwechsel.
2022 planen 18 Prozent der Befragten in den nächsten sechs Monaten einen Jobwechsel. 2019, also vor Corona und ohne Ukraine-Krieg und Inflation, waren es noch 35 Prozent. Ein Grund, weshalb relativ wenig Leute auf dem Sprung sind, dürfte die veränderte Prioritätensetzung in Krisenzeiten sein: 59 Prozent der Befragten gaben an, dass es ihnen „wichtig“ bis „sehr wichtig“ ist, ihren Job gesichert und auf längere Sicht ausüben zu können.
Philipp Riedel, CEO von Avantgarde Experts, sagt dazu: „Dass jeder Fünfte einen Jobwechsel in Betracht zieht, zeigt deutlich, wie viele Jobs fehlbesetzt sind. Sicherheit ist wichtig, aktuell wohl wichtiger denn je. Trotzdem müssen die richtigen Fachkräfte zu den richtigen Positionen gebracht werden. Ansonsten herrscht schnell Unzufriedenheit und der Anteil der auffällig hohen unterforderten Arbeitnehmer wird weiter steigen.“
Langweilen sich deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Ein weiteres überraschendes Ergebnis der Befragung: 25 Prozent der Studienteilnehmer finden, ihr Potenzial ist nicht ausgeschöpft, sie könnten wertvoller für das Unternehmen sein (13 Prozent) oder fühlen sich sogar komplett unterfordert (3 Prozent). Das sind insgesamt 41 Prozent. 2017 waren es erst 17 Prozent. Unter den 18- bis 34-Jährigen meinen sogar 47 Prozent, dass ihr Potenzial nicht ausgeschöpft ist, sie also wertvoller für das Unternehmen sein könnten oder sie unterfordert sind. „Die Unterforderung unter deutschen Arbeitnehmerinnen hat damit in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Zudem betrifft es vor allem die jüngere Generation; also genau jene, die noch mehrere Jahrzehnte Arbeitsleben vor sich hat und die aus Unternehmenssicht besonders gebunden werden sollte. Ein deutliches Alarmsignal an deutsche Führungsetagen“, erklärt Riedel.
Trotz Krisen und Belastung: erstaunlich zufrieden
Zwar sinkt die Arbeitszufriedenheit im Vergleich zu 2019 („vor Pandemie“). Überraschend ist jedoch, dass der Rückgang nur sehr gering ausfällt: 2022 gaben 12 Prozent der Beschäftigten an „eher“ bis „vollkommen unzufrieden“ zu sein (2019: 11 Prozent); 68 Prozent sagten, dass sie „eher“ bis „vollkommen zufrieden“ mit den Arbeitsbedingungen sind (2019: 72 Prozent). „Angesichts der Vielzahl der Krisen und wesentlich unstetiger Umfeldfaktoren eine erstaunlich stabile Entwicklung“, so Riedel abschließend.