Prof. Dr. habil. Carsten C. Schermuly
Um Menschen auf die Zukunft der Arbeit und New Work vorzubereiten, müssen neue Didaktikformen an Hochschulen praktiziert werden. Mit klassischen Vorlesungen, die den Fokus auf eine reine Wissensvermittlung legen, erwerben die Mitarbeiter von morgen, nicht die notwendigen Kompetenzen für die Arbeitswelt von morgen. Deswegen habe ich in meinem Studiengang BWL mit Schwerpunkt Wirschaftspsychologie alle Vorlesungen abgeschafft und arbeite seit dem Wintersemester 2018 mit dem CORE-Ansatz. Mit Core werden die Studierenden in 5-Wochenblöcken praxisnah und hierarchiefrei ausgebildet.
Um in der VUKA-Welt und in agilen oder holokratischen Organisationen bestehen zu können, benötigen die künftigen Generationen nicht nur Fachwissen. Sie müssen besondere soziale, personale und methodische Kompetenzen entwickeln, um in den modernen Arbeitswelten zufrieden und erfolgreich arbeiten zu können. In klassischen Vorlesungen ist es mir jahrelang nicht gelungen, diese Zukunftskompetenzen meinen Studenten adäquat zu vermitteln. Deswegen habe ich mich zu einem radikalen Schritt entschlossen und alle Vorlesungen aus dem Curriculum verbannt. Dabei hat mich auch beeinflusst, dass ich meine Habilitation zum Thema New Work sowie ein Praktikerbuch im Haufeverlag zu diesem Thema verfasst habe. Darüber hinaus berate ich Unternehmen bei der Implementierung von New-Work-Initiativen.
Das oberste Ziel von CORE ist die Employability der Studenten für die Zukunft der Arbeit. In allen Modulen ist eine durchgängige Kompetenzorientierung Pflicht. Die Kompetenzanforderungen wurden pro Modul und Kompetenzbereich zusammen mit Praktikern entwickelt. Durch die Gewährleistung eines „Constructive Alignments“ wird die Passung von Lernzielen, Prüfungsform und Lehrformen harmonisiert. Es gibt kaum noch Klausuren, sondern es werden praxisnahe Prüfungen durchgeführt. Der Unterricht findet in 5-Wochenblöcken statt, die sich auf ein Thema konzentrieren (z.B. Personalauswahl). In diesen Blöcken tritt der Professor gemeinsam mit Praktikern nicht mehr als autoritärer Vorleser auf, sondern als Coach und Mentor, der die Studenten dabei begleitet, sich die Kompetenzen selbständig zu erarbeiten.
Die Studenten erleben durch CORE mehr Autonomie und Demokratie im Hochschulkontext und können sich darin erproben. Sie erarbeiten sich Wissen und Kompetenzen immer wieder in Gruppensituationen und erlernen dadurch Kollaboration und Teamarbeit. In meinen Veranstaltungen konfrontiere ich die Studierenden mit neuen Arbeitsprozessen. Dazu gehören z. B. Holokratie oder das agile Projektmanagement. Methoden wie Design Thinking oder Scrum lasse ich die Studierende in meinen Modulen erproben. Mehrere Absolventen sind aufgrund ihres Bachelorarbeitthemas mit Bezug zum Thema New Work und ihren im Studium gesammelten methodischen Erfahrungen von Unternehmen gezielt eingestellt worden. Dadurch werden in meinem Studiengang die New Worker von morgen ausgebildet.
Die Vorlesung ist das klassische Lehrformat an Hochschulen, seitdem Kurfürst Ruprecht I. im Jahr 1386 die Universität in Heidelberg gründete. Seit dem Mittelalter haben sich die Anforderungen an Absolventen verändert. An CORE ist neu, dass der Professor nicht mehr der Hüter und Herrscher des Wissens ist, sondern eine Funktion als Coach und Mentor erhält. Er arbeitet nicht allein in den fünfwöchigen Blöcken, sondern involviert gezielt Praktiker und andere Experten. Der Hochschullehrer gestaltet einen Lernraum, in der die Studierenden miteinander und voneinander lernen können. Weiterhin wird die Fragmentierung der Stoffvermittlung aufgehoben. Es wird gebündelt an einem Thema gearbeitet, die vorher auf verschiedene Vorlesungen verteilt waren.
Im nächsten Jahr werden alle Studiengänge an meiner Hochschule in CORE überführt. Das CORE-Prinzip und die Anwendung von CORE an unserer Hochschule kann als Blaupause für alle Hochschulen in Deutschland dienen. Dafür müssen aber vor allem die Professoren ein neues Denken erlernen und Macht abgeben. Bei der Transformation meines Studiengangs konnte ich gut beobachten, wie diese Abgabe von Macht und der Verzicht auf die klassischen Powerpointfolien den Professoren schwer fällt.
Der New Work Award hat sich bisher nur auf Unternehmenskonzepte konzentriert und New Worker, die im Unternehmensumfeld wirksam sind. Das ist schade, denn in den Hochschulen werden die Unternehmenslenker und –denker von morgen ausgebildet. Es ist wichtig an den Hochschulen die Querdenker für das Thema New Work auszubilden, so dass diese die Kompetenzen, das Selbstbewusstsein und die Motivation haben, um in Unternehmen kreative Unruhe zu stiften. Wir müssen heute in den Hochschulen die New Worker von morgen ausbilden und ihnen ein entsprechendes "Mindset" vermitteln.