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"Ja, es gibt Leistung, die in die falsche Richtung geht"

Interview mit Managementexperte Richard Straub

09. November 2022

Dr. Richard Straub ist einer der bekanntesten Experten für Führungsthemen im deutschsprachigen Raum. Im Vorfeld des von ihm organisierten, top besetzten "Peter Drucker Forums"** spricht Richard Straub im Interview mit XING News Chefredakteurin Astrid Maier über die großen Herausforderungen für das Management, dringend notwendige Perspektivenwechsel und fordert: “Resilienz sollte die Leading KPI unserer Zeit sein.” 

Astrid Maier: Für das diesjährige Drucker Forum haben Sie das Motto “Performance that matters” gewählt. Gibt es auch Leistung, die nicht zählt?  

Richard Straub: Peter Drucker hat gesagt, das Schlimmste, was passieren könne, sei, jenes effizient zu betreiben, was man erst gar nicht tun sollte. Von daher: Ja, es gibt Leistung, die in die falsche Richtung geht. Das ist sogar eines der großen Probleme unserer Zeit.  

Haben Sie dafür ein Beispiel? 

Straub: Nehmen wir die deutsche Energiepolitik. Sie wurde konsequent in die falsche Richtung getrieben. Es gab ja schon immer kritische Stimmen aus Wirtschaft wie aus Politik, die vor einer zu starken Abhängigkeit von Russland warnten. Dennoch wurde diese weiter ausgebaut, auch noch mit Nachdruck optimiert. In Unternehmen und im Management gibt es in solchen Situationen im Markt ein Korrektiv, einfach, weil sie sonst nicht überleben würden. Auf staatlicher Ebene dauert es dagegen sehr lange, bis die Ergebnisse von Leistung, die in die falsche Richtung geht, sichtbar werden. Dann dafür mit umso größerer Wucht.  

Mindestens genauso groß scheint die Abhängigkeit deutscher Unternehmen von China. Wie kann Management dem Gruppendenken, Leistung, die in die falsche Richtung geht, auch noch optimieren zu wollen, entkommen?  

Straub: Ich glaube nicht, dass es hierfür ein einfaches Rezept gibt. Wir müssen vielmehr früher ansetzen, indem wir kritisches Denken fördern. Das ist in vielen Schulsystemen, in denen es nach wie vor darum geht, Fakten auswendig zu lernen, statt das Denken an sich zu erlernen, leider nicht der Fall. Wir müssen also zurück zu den Wurzeln und uns fragen, welches Menschenbild wir überhaupt vertreten.  

Kann uns Peter Drucker hierbei helfen?  

Straub: Unbedingt. Druckers Menschenbild im Management stellt die Fähigkeit, kritisch zu denken und nicht dem Mainstream blind zu folgen, immer in den Mittelpunkt. Genauso verhält es sich mit dem Realitätssinn. Denn wenn ein Weltbild auf Ideologie fußt, geht der Realitätssinn verloren. Und das hatte immer schon katastrophale Folgen. Hinzu kommt die menschliche Komponente: Technik darf nie den Menschen unterordnen wie das im Industriezeitalter der Fall war. Erfreulicherweise bewegt sich heute mit der Purpose-Diskussion schon Vieles in die richtige Richtung.  

Bleiben wir beim Beispiel China. Wie ließe sich für deutsche Unternehmen, die große Effizienzsprünge gemacht haben, seit sie Produktion nach China ausgelagert haben und den großen Markt dort erschließen, Leistung anders messen als am Profitzuwachs?  

Straub: An der Resilienz. Es spricht nichts dagegen, nach China zu gehen und die Chancen dort zu nutzen. Aber bei allen geopolitischen Verwerfungen, die wir gerade erleben, gehört es quasi zur Jobbeschreibung des Topmanagements, Abhängigkeiten zu reduzieren. Dazu gehört, sich strategisch zu überlegen, wie man statt auf Offshoring zu setzen, sinnvolle Alternativen in Europa aufbaut. Resilienz sollte eine Leading KPI unserer Zeit sein. Neben ein paar weiteren natürlich.   

Welche denn?  

Straub:  Lernfähigkeit und Langfristigkeit.  

Wie misst man solche KPIs?  

Straub: Sicher nicht auf das Komma genau. Aber Management kann qualitative Messsysteme schaffen, in denen man diese Art von Leistung etwa durch umfassende interne Interview-Prozesse genau verortet. Und damit den größeren Rahmen für das Handeln und die Bewertung von Leistung für die Organisation schafft.  

Was können wir in diesen bewegten Zeiten noch von Peter Drucker lernen?  

Straub:  Peter Drucker hat 1954 die Management by Objective-Methode erfunden. Seither haben Generationen von CEOs und Top-Managern mit Zielvorgaben ihre Organisationen zu steuern versucht. Drucker hat das aber nie so verstanden, dass die Ziele von oben nach unten verordnet werden, sondern dies von Anbeginn an als Dialog verstanden. Diesen Gedanken gilt es jetzt wieder aufzunehmen und verstärken.  

Wie genau?  

Straub:  Organisationen müssen, im Dialog mit ihren Teams und allen Stakeholdern, Lernkurven in bewegten Zeiten analysieren, um dementsprechend Zielvorgaben agil anpassen zu können. Was etwa Anfang dieses Jahres als Zielvorgabe gedient hat, war in vielen deutschen Unternehmen am 24. Februar 2022 mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine schon wieder obsolet.  

Warum ist Peter Drucker heute noch relevant?  

Straub:  Wenn ich heutzutage ein Buch von ihm in die Hand nehme, wird mir jedes Mal von Neuem klar, dass Drucker nach wie vor zum WHY von Management und Organisationen sehr viel zu sagen hat. Einfach, weil er so viel Tiefgang hat. Peter Drucker hat Management im gesellschaftlichen Kontext gedacht. Er kommt ja aus der Gesellschaftswissenschaft.  

Das Drucker Forum lockt jedes Jahr Management-Vordenker aus der ganzen Welt nach Wien, vor allem aus den USA. In Deutschland ist die Bekanntheit noch nicht so groß. Interessieren sich deutsche Manager nicht für Exzellenz in der Führung?  

Straub: Der Anteil der Sprecher und Besucher aus Deutschland steigt kontinuierlich. Dennoch liegt in Deutschland das Interesse an Management ein bisschen brach. Sonst wären die Diskussionen rund um das Chaos um den Flughafen BER in Berlin wohl ganz anders gelaufen. Angesichts der vielen Krisen, die wir derzeit erleben, wird das Interesse an Exzellenz im Management aber auch in Deutschland stark steigen, ja steigen müssen. Eine lebenswerte Gesellschaft braucht leistungsfähige Institutionen – und die müssen gut gemanaged sein. Einen Beitrag dazu wollen auch wir mit dem Drucker Forum leisten.  

*Zur Person:  Richard Straub verdankt seine umfangreiche Erfahrung in Führung und Management einer 32-jährigen Karriere bei IBM, wo er u.a. für den Aufbau des PC-Geschäfts in Österreich und Europa verantwortlich zeichnete. Als IBM-“Chief Learning Officer” leitete er die ersten Schritte des Konzerns in Richtung E-Learning ein. In den letzten vierzehn Jahren baute er gemeinsam mit seiner Frau Ilse das Global Peter Drucker Forum auf, benannt nach dem renommierten US-Ökonom. Ziel der Konferenz, die alljährlich in Wien stattfindet, ist die kontinuierliche Weiterentwicklung von Managementtheorie und -praxis in Wirtschaft und Gesellschaft. Das Drucker Forum ist weltweit als führende Managementkonferenz anerkannt, wie die Partnerschaften mit Harvard Business Review, Financial Times oder der Stadt Wien bezeugen.

Das nächste Drucker Forum findet am 17. und 18. November 2022 in Wien unter dem Motto: Performance that matters. Sparking the entrepreneurial spirit, statt. Mehr Information zu Programm und Tickets unter: www.druckerforum.org


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