Während immer mehr deutsche Unternehmen ihre Mitarbeitenden ins Büro zurückrufen, eskaliert die Homeoffice-Diskussion vor allem in den USA. Dort nämlich boomen Tools zur Überwachung von remote Arbeitenden. Die digitale Kontrolle wirkt sich auf Arbeitskultur und das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten aus.
Die Debatte um das Homeoffice wird nicht ruhiger. Während viele Beschäftigte die Vorteile flexibler Arbeit schätzen und darauf laut neuesten Studien nicht mehr verzichten wollen, holen immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro, zumindest für einige Tage in der Woche. Firmen wie der Otto-Konzern, SAP und die Deutsche Bank argumentieren mit der Notwendigkeit persönlicher Zusammenarbeit und - mal mehr, mal weniger verklausuliert - auch einem besseren Überblick über die Arbeitsleistung. Die Rückkehr-Aufforderungen haben innerhalb der Unternehmen zu einigem Protest geführt. Verglichen mit den USA geht es hierzulande in dieser Frage allerdings noch sehr gesittet zu, zumal die meisten deutschen Firmen zumindest weiter Hybrid-Work-Lösungen anbieten wollen.
Denn jenseits des Atlantiks hat die Diskussion eine ganz andere Dimension erreicht. Immer mehr US-Unternehmen bedienen sich nämlich nicht nur unverhohlener Drohungen mit Kündigungen oder Karriereknicks, um ihre Angestellte wieder in die Büros zu bekommen. Immer häufiger setzen amerikanische Firmen auch auf rigide und meist heimlich digitale Überwachung, um die Produktivität im Homeoffice zu sichern. Und damit Maßnahmen, die nicht nur die Arbeitskultur, sondern auch das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten beschädigen.
Seit Pandemiebeginn stieg in den USA die Nachfrage nach Monitoring-Software stark an. Die Überwachungstechniken sind vielfältig: Arbeitgeber zeichnen Tastaturanschläge und Mausbewegungen auf, analysieren das Surfverhalten, nutzen GPS-Ortung oder erstellen regelmäßig Screenshots und Webcam-Fotos. Algorithmen werten die gesammelten Daten aus, um die Produktivität zu bewerten. Auch große Firmen wie American Express und die Bank of America nutzen solche Programme. Betriebsräte, die Einwände äußern könnten, gibt es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten selten, Arbeitnehmerrechte kaum.
Auch darum warnen Experten vor den langfristigen Folgen dieser Überwachungskultur. Statt Innovation und Vertrauen zu fördern, schürt exzessive Kontrolle Misstrauen. Der Fokus auf messbare Quantität statt tatsächlicher Produktivität führt dazu, dass Mitarbeitende mehr Energie darauf verwenden, beschäftigt zu wirken, als effektiv zu arbeiten. Viele Beschäftigte entwickeln kreative Strategien, um Aktivität vorzutäuschen. Nicht alle davon bleiben unbemerkt. So entließ die US-Bank Wells Fargo mehrere Angestellte wegen "simulierter Tastaturaktivität".
Während die Kontrolle in den USA zur Normalität wird, stößt sie in Deutschland auf rechtliche Hürden. Arbeitsrechtler betonen, dass umfassende Überwachung, die jeden Arbeitsschritt verfolgt, hierzulande unzulässig ist und Unternehmen bei Verstößen hohe Geldstrafen drohen. Und Arbeitspsychologen weisen auf Statistiken, die belegen, dass Mitarbeitende im Homeoffice zumindest gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Leistungen erbringen als ihre Kollegen im Büro.
red