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"Den Gender Pay Gap kann man schnell ausgleichen"

Interview mit Henrike von Platen / Fair Pay Innovation Lab

28. März 2022

Eine gerechte Bezahlung ist der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg. Davon ist Henrike von Platen überzeugt: Sie hat das „Fair Pay Innovation Lab“ gegründet, mit keinem geringeren Auftrag als: Fairer Lohn für alle Menschen der Welt. Das Lab zertifiziert Unternehmen, die gerecht bezahlen: Zahlreiche Firmen haben die Wichtigkeit bereits erkannt, darunter zwei Dax-Konzerne. Im Interview erklärt Henrike von Platen, wie der Pay Gap aufgelöst werden kann, warum eine Zertifizierung auch Fachkräfte anlockt – und was die Isländer schon besser machen.

NWX Magazin: Sie haben dem Innovation Lab den Namen „Fair Pay“ gegeben. Warum nicht „Equal Pay“?

Henrike von Platen: Equal Pay, Pay Equality, Pay Equity – es gibt so viele Begriffe, aber die kann man sich sparen. Man muss sich nur fragen: Was will ich eigentlich? Es soll fair sein für alle. Ein faires System ist nicht für alle gleich. Es darf eben nur keine Entgeltlücke geben zwischen Faktoren, die mit dem Gehalt nichts zu tun haben – wie Alter, Hautfarbe oder Geschlecht. Oft geht es dann um den Gender Pay Gap, weil wir diesen von außen messen können und so eine Messgröße für alle anderen Faktoren haben.

Selbst wenn Unternehmen die besten Vorsätze haben, spielt die unconscious bias eine große Rolle – also die unbewussten Vorurteile. Wie überwindet man sie?

Henrike von Platen: Es wird sehr oft davon gesprochen, dass Frauen Coachings und Verhandlungstrainings bekommen sollen, um an ihrem Auftreten im Bewerbungsgespräch und später in Gehalts- und Aufstiegsverhandlungen zu arbeiten. Viel besser wäre es aber, Personalerinnen und Personalern Trainings gegen die unconscious bias zu geben, und zwar gute Trainings. Nur weil ich weiß, dass ich Vorurteile habe, heißt das nicht, dass sie nicht mehr wirken.

Für Unternehmen bieten Sie den Universal Fair Pay Check an – also eine Zertifizierung für Unternehmen, die fair bezahlen. Was muss man dafür tun?

Henrike von Platen: Am Anfang steht eine gründliche Entgeltanalyse: Es wird erfasst, welche Lohnlücke es gibt und welche Faktoren zu unrecht das Gehalt beeinflussen. Viele stellen dabei übrigens mehr fest als den reinen Gender Pay Gap. Wenn dann alle Faktoren wie Teilzeit, die Verantwortung oder die Position rausgerechnet sind, bleibt immer eine kleine Restlücke übrig, die nicht mehr erklärbar ist. Das Gute ist: Die kann man schnell ausgleichen. Das ist immer ein überraschender Moment, wenn Unternehmen merken: Das ist gar nicht teuer. Diese Lücke auszugleichen, kostet rund ein bis drei Prozent der Lohnsumme des Unternehmens. Meistens kann das aus einem Topf bezahlt werden, der sowieso für Lohnerhöhungen vorgehalten wird. 

Das ist dann der sogenannte angepasste Pay Gap. Die Arbeit am unangepassten Pay Gap – also dass alle chancengleich in hohe Positionen und zu hohen Gehältern aufsteigen können – ist schon langwieriger und teurer, oder?

Henrike von Platen: Viele Unternehmen geben viel Geld für Diversity-Maßnahmen aus, wissen aber gar nicht, ob und wie die wirken. Denn wenn man gar nicht erfasst hat, woran es hakt und woran man arbeiten muss, kann man den Erfolg der Maßnahmen ja auch nicht messen. Das Geld kann man sinnvoller einsetzen und sehen, warum Frauen oder Jüngere zum Beispiel nicht in den hohen Positionen ankommen, wie also die Zugänge chancengleich verteilt werden können. In Deutschland sind wir da hinterher: Die „Leader“, das sind die Spitzenreiter in unserer Zertifizierung, sind aktuell ausschließlich isländische Unternehmen.

Was hat es mit den Isländern auf sich? Warum sind die so viel weiter als wir hier in Deutschland?

Henrike von Platen: Island hat seit vielen Jahren ein Gesetz, das faire Bezahlung verpflichtend macht. Da gibt es einen Check zu Equal Pay, den man als Unternehmen verpflichtend durchlaufen muss. Und man muss beweisen und offenlegen, wie es um die Entgeltlücke steht. In Island hat sich da schon ein Bewusstseinswandel vollzogen: Niemand will ja in einem Unternehmen arbeiten, das nachweislich nicht fair bezahlt. Solche Gesetze haben wir hier nicht und beim Entgelttransparenz-Gesetz muss eine Einzelperson nachweisen, dass sie nicht fair bezahlt wird – das ist meist schlecht möglich ohne entsprechende Daten. Quotengesetze, Mindestlohn, all das wirkt, aber nicht stark genug, weil in Deutschland keine strikten Gesetze und harten Sanktionen zu Equal Pay existieren.

Kann eine Zertifizierung wie der Universal Fair Pay Check helfen?

Henrike von Platen: Tatsächlich beobachten wir, dass sich einige Unternehmen schneller als die Gesetze bewegen. Weil sie einerseits einfach das Richtige tun wollen oder weil sie schlicht in vielen Ländern mit vielen unterschiedlichen Gesetzen tätig sind. Da ist es besser, eine globale Zertifizierung zu haben: Da können dann Gesetze kommen, die wollen, da ist man auf der sicheren Seite.

Das Richtige tun wollen: Gehen die Unternehmen mit der Zertifizierung auch nach außen?

Henrike von Platen: Ja, auf jeden Fall. Symrise, das ist nach der Allianz der zweite Dax-Konzern, den wir zertifiziert haben, hat der Auszeichnung im Unternehmensbericht 2021 viel Platz eingeräumt. Und die Zertifizierung zeigt: Ich behandle meine Menschen gut. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein wichtiger Bestandteil des Employer Brandings: Fair Pay hat große Auswirkungen auf das Image des Unternehmens und die Attraktivität als Arbeitgeber.

… und auf den wirtschaftlichen Erfolg?

Henrike von Platen: Wenn wir gerechte Bezahlung nicht erreichen, erreichen wir als Unternehmen auch andere Ziele nicht. Fair Pay ist der Schlüssel zu allem anderen, zu diverseren Teams und dadurch zu mehr Diskussion und Kreativität. Lohngerechtigkeit ist nicht umsonst eines der der zentralen UN-NachhaltigkeitszieleWenn wir fair bezahlen, klappt es letzten Endes auch mit der Rettung der Eisbären. Auch Investorinnen und Investoren schauen inzwischen sehr genau auf den Pay Gap, sogar in der Lieferkette. Denen geht es nicht um ein neues nettes Siegelchen, sondern ganz konkret darum, den wirtschaftlichen Erfolg an den Entgeltdaten abzulesen.

Das Interview führte Maria Zeitler

Unsere Gesprächspartnerin: Henrike von Platen ist Gründerin und CEO des FPI Fair Pay Innovation Lab. Seit 2017 unterstützt sie mit ihrem Team Unternehmen bei der Umsetzung von Fair Pay und zertifiziert sie seit 2021 mit dem Universal Fair Pay Check. Auch der Best Practice Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik dient dem Ziel: Faire Bezahlung für alle. Von 2010 bis 2016 war Henrike von Platen als Präsidentin der Business and Professional Women (BPW) viele Jahre Schirmherrin der deutschen Equal Pay Day Kampagne. Sie ist Autorin des Buches „Über Geld spricht man – Der schnelle Weg zu Gleichstellung“.


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