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"Gehaltssysteme müssen fair sein, sonst funktionieren sie nicht"

Interview zum Thema New Pay

21. Februar 2023

Prof. Dr. Armin Trost ist Professor an der Hochschule Furtwangen in den Bereichen Human Resources Management und Organizational Behavior, Unternehmensberater und Speaker. Im Interview mit dem NWX Magazin erklärt er, weshalb es für Unternehmen wichtig ist, den psychologischen Faktor beim Thema Personalentlohnung zu beachten und welche konkrete Orientierung für die Praxis helfen kann.

New Pay ist ein großes Schlagwort geworden. Was ist denn falsch am „guten“ alten Vergütungsmodell?

Prof. Armin Trost: Eigentlich nicht viel. Klassische Vergütungsmodelle sind schon sehr elaboriert. Allerdings muss man differenzieren zwischen Fixgehalt und variablem Gehalt. Was das Fixgehalt angeht, sind die meisten Unternehmen sehr gut sortiert. Sie differenzieren nach der Verantwortlichkeit, die mit unterschiedlichen Jobs einhergeht, haben entsprechende Gehaltsstrukturen und die Mitarbeitenden wissen, wenn sie eine bestimmte Arbeit ausführen, dann werden sie in einer bestimmten Gehaltsgruppe eingestuft. Das ist weltweit Standard und spiegelt sich auch in den tariflichen Vereinbarungen wider. Da geht es grundsätzlich um die Frage gleiches Geld für gleiche Arbeit.

Bei variabler Vergütung werden die Dinge allerdings seit ein paar Jahren kontrovers diskutiert. Das Prinzip hierbei lautet: Es gibt einen zusätzlichen Anreiz, um besondere Leistungen zu erbringen. Das ist im Sinne von Fairness grundsätzlich eine gute Idee. Kritiker sehen aber darin die Gefahr, dass aus Kollegen womöglich Konkurrenten würden und argumentieren, dass in Zeiten geänderter Arbeitsstrukturen die Teamleistung im Vordergrund stünde und nicht die individuelle Leistung.

Warum ist Personalentlohnung ein psychologisches Thema?

Trost: Weil wir Menschen auf Gehaltssysteme reagieren – in unserem Verhalten, in unserem Erleben, in unseren Emotionen. Gehaltssysteme haben einen Einfluss auf die soziale Dynamik in einem Unternehmen. Schaut man sich die Personalabteilungen an, dann arbeiten in den Bereichen Personalgewinnung, Personalentwicklung oder Diversity häufig Psychologinnen oder Pädagoginnen, tatsächlich in der Mehrzahl Frauen. Im Bereich Compensation dagegen sitzen Männer und die haben meist einen beruflichen Hintergrund als Betriebswirt oder Rechtsanwalt. Das suggeriert schon, dass Gehalt überwiegend als ein finanzielles und juristisches Thema gesehen wird. Das ist natürlich nicht falsch, aber ich glaube, man macht einen Fehler, wenn man hier die psychologische Komponente außer Acht lässt.

Wie hängen denn Motivation und Entlohnung im Job konkret zusammen?

Trost: Gehaltssysteme müssen so gestrickt sein, dass sie im besten Fall motivieren, aber zumindest nicht demotivieren. Die Motivationskomponente wird vor allem berührt durch variable, also leistungsabhängige Vergütung. Das Prinzip basiert salopp gesagt auf der Annahme, je größer die Karotte, die ich Dir vor die Nase halte, desto größer ist Deine Leistung. Allerdings macht man mit Geld die Menschen nicht kompetenter. Geld hat also keinen Einfluss auf das Können, maximal auf das Wollen. Das wiederum unterstellt aber, dass du ohne Incentives gar nicht arbeiten willst. Und das ist sogar zynisch.

Der eigentliche Effekt bei der Motivation ist, dass wir unterscheiden müssen zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischer Motivation. Geld wirkt ausschließlich extrinsisch. Es gibt unzählige Experimente, die das belegen. Wenn Kinder ein Bild malen, tun sie das aus innerem Antrieb. Belohnt man sie dafür mit einer Süßigkeit, fangen sie an, die Bilder nur noch der Belohnung wegen zu malen. Da wird aus intrinsischer Motivation eine extrinsische Motivation.

Heißt das im Umkehrschluss, man sollte den Mitarbeitenden keine Extras zahlen, damit sie aus innerem Antrieb heraus arbeiten?

Trost: Tatsächlich sollte man es bei kreativen Aufgaben tunlichst unterlassen, eine leistungsabhängige Vergütung zu zahlen. Das ist die Schlussfolgerung daraus. Aber jetzt kommt das Problem. Wenn ich im Team der Christiano Ronaldo bin und am meisten zu den kreativen Lösungen beitrage, jedoch dafür nicht mehr als die anderen bekomme, dann führt das für mich zu einem Gefühl der mangelnden Fairness und das wiederum demotiviert mich.

Das ist ja ein echter Teufelskreis.

Trost: Ja genau. Und dafür gibt es auch keine Lösung. Das Gespür für Fairness erlernen wir nicht, sondern damit sind wir geboren. Das ist eine grundlegende moralische Dimension, in der wir sehr sensibel und auch sehr heftig reagieren.

Welche Punkte müssen noch berücksichtigt werden, damit ein Vergütungsmodell funktioniert?

Trost: Motivation ist einer von vier Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Die Fairness habe ich schon erwähnt. Gehaltssysteme müssen fair sein, sonst funktionieren sie nicht. Ein dritter Aspekt berührt die soziale Dynamik. Ich kann durch ein Gehaltssystem Zusammenarbeit fördern oder behindern. Es macht einen Unterschied, ob individuelle Leistungen oder Gruppenleistungen honoriert werden. Der vierte Faktor wird häufig übersehen, dabei ist er ebenso wichtig wie die anderen: Akquisition plus Bindung. Ein Gehaltssystem muss so gestaltet sein, dass es für Bewerber und Mitarbeiter attraktiv ist. Das hat nichts mit der täglichen Motivation bei der Arbeit zu tun, sondern mit der Frage, ob ich eine Stelle in einem Unternehmen überhaupt antrete oder lieber zur Konkurrenz gehe.

Welche Entlohnungsmodelle versprechen einen größtmöglichen Erfolg?

Trost: Ein gutes Gehaltsmodell erfüllt alle vier der genannten Anforderungen: Es ist fair, es schadet der Motivation nicht oder motiviert sogar, es begünstigt eine soziale Dynamik, die ich mir für mein Unternehmen wünsche, und es ist so attraktiv, dass die Leute kommen und auch bleiben.

Und wie erreicht man das?

Trost: Eine perfekte Lösung existiert nicht, man muss immer eine Kröte schlucken. Es gibt Unternehmen, die haben variable Vergütung abgeschafft. Die sagen, wir wollen Teamwork und keine einzelnen Helden mehr. Das wird dann aber von diesen Helden als unfair empfunden und in der Konsequenz verlassen die den Arbeitgeber. Jedes Unternehmen muss also für sich selbst in Betracht ziehen, auf welche der vier Aspekte es verzichtet oder sich konzentriert.

Ist das Wunschgehalt eine gute Lösung für das Dilemma?

Trost: Jetzt reden wir also über New Pay. Ich tue mich ein bisschen schwer mit dem Begriff. New Pay scheint eine Sammlung von Ideen zu sein, die irgendwie anders sind als das, was man bisher kannte. Und dazu gehören eben solche Dinge wie die autonome Gehaltsfindung oder das Wunschgehalt. Da überlegen sich die Teams gemeinsam, wieviel jeder bekommt. Das setzt wiederum Gehaltstransparenz voraus. Aber bei dieser Art von Verhandlungen spricht man nicht nur über das Gehalt, sondern auch über die eigene Leistung, über Familiensituation, Hobbys, Wohnlage, Lebensstil. Das ist in vielerlei Hinsicht durchaus schwierig. Man muss wirklich komplett die Hose runterlassen. Es wird immer Leute geben, die das nicht wollen, denen ist das zu viel der Identifikation. Natürlich funktionieren solche Modelle in Kleinunternehmen, die eine entsprechend offene Kultur pflegen und wo ein starkes Vertrauen untereinander herrscht. Aber wenn du einem großen Konzern so ein Modell vorschlägst, dann bekommen die dort Schnappatmung. Kein Betriebsrat dieser Welt würde das gutheißen.

Seit wann gibt es eigentlich diese intensive Auseinandersetzung über Vergütungsmodelle?

Trost: Ganz stark inspiriert wurde diese Debatte durch den TED-Talk von Dan Pink „The Puzzle of Motivation“, ich glaube das war 2009. Darin postuliert er ganz klar, dass bei kreativen Aufgaben eine variable Vergütung eigentlich toxisch wirkt, weil sie aus einer intrinsischen Motivation eine extrinsische macht und sich letztendlich schlecht auf die Leistungen auswirkt. Daraufhin haben tatsächlich sehr viele Unternehmen die variable Vergütung abgeschafft. Das hat zu gewissen Unsicherheiten geführt und zu den noch immer anhaltenden Diskussionen über die Frage, welche Vergütungsmodelle zu einer agilen, vernetzten und von Eigenverantwortung geprägten Arbeitswelt passen.

Interview: Thorben Hansen

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