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"Resilienz ist nicht Wellness, sondern Wirtschaftsfaktor"

Interview mit Zuzana Blazek / IW Köln

24. Oktober 2022

Komplexität, Unsicherheit, volatiler Wandel: Die VUCA-Welt unterzieht Unternehmen dem Dauerstresstest und belastet die Menschen, die dort arbeiten. Das Risiko psychischer Erkrankungen – schon heute eine der Hauptursachen für lange Fehlzeiten bis hin zur Berufsunfähigkeit – steigt spürbar, warnt Zuzana Blazek. Seit 2006 forscht sie am IW Köln zu Personalthemen und Fachkräftesicherung. In ihren Fachbeiträgen und Vorträgen, zum Beispiel bei der NWX-Session auf der ORGATEC in Köln, übersetzt sie trockene Zahlen und wissenschaftliche Erkenntnisse anschaulich und gibt praxisnahe Umsetzungstipps. Im Interview mit dem NWX-Magazin erklärt die studierte Betriebswirtin, warum Resilienz wenig mit Wellness, dafür aber viel mit wirtschaftlichem Erfolg zu tun hat und was das für Unternehmen bedeutet.

NWX-Magazin: Spätestens seit Corona gilt Resilienz als neue Superkraft. Google liefert mehr als zehn Millionen Treffer in 0,37 Sekunden: Innere Stärke, seelische Widerstandsfähigkeit, Krisen und Schicksalsschläge meistern. Wovon reden wir überhaupt?

Zuzana Blazek: Viele denken bei Resilienz an den Superhelden, der nichts an sich heranlässt, oder an die beschichtete Teflonpfanne, an der alles abgleitet. Aber diese Bilder treffen es nicht. Resilienz ist eher zu vergleichen mit Bambus oder einer Spiralfeder. Beide sind elastisch und halten Druck und Belastungen aus, ohne daran zu zerbrechen. Resiliente Menschen reagieren „situationselastisch“. Sie können sich also herausfordernden Situationen anpassen und besser noch, im optimalen Falle sogar gestärkt aus Krisen hervorgehen. Das ist vor allem eine Frage der inneren Haltung.

Der Markt für Ratgeber und Weiterbildungen zum Thema Resilienz boomt. Lässt sich die innere Haltung überhaupt trainieren?

Zuzana Blazek: Ja, allerdings nicht im Handumdrehen. Ein Anti-Stress-Workshop, ein Achtsamkeitsseminar oder ein Online-Coaching sind  gute Werkzeuge , aber nicht das Ende der Reise. Resilienter zu werden, bedeutet vor allem, sich auf den Weg zu machen sich seine inneren Ressourcen kennen zu lernen, um in kritischen Situationen schneller und gezielter darauf zugreifen zu können. Zum Beispiel Humor, Kreativität oder Beziehungsfähigkeit. Das kann ich täglich im Alltag üben. Klingt vielleicht komisch: Aber als Anregung empfehle ich gerne einen Besuch im Improtheater.

Zum Clown, statt zum Coach – klingt für gestresste Führungskräfte oder verunsicherte Teammitglieder wohl eher gewöhnungsbedürftig …

Zuzana Blazek: Natürlich ist ein lustiger Abend im Theater kein Resilienztraining. Aber die innere Haltung die Improvisationskünstler leben, das ist etwas, wovon wir sehr viel für die Arbeitswelt der Zukunft lernen können. Aus den Grundsätzen des Improvisationstheaters ließen sich tolle Weiterbildungsformate ableiten. Improvisationskünstler wissen nie, was sie in der nächsten Sekunde erwartet. Auf der Bühne müssen sie positiv damit umgehen, präsent sein, im Dialog bleiben, offen und bereitwillig annehmen, was die anderen im Saal ihnen anbieten. Um richtig gut zu sein, trainieren die Profis nach den Leitlinien: Be positiv. Say yes. Change happily. 

Ist eine positive innere Haltung überhaupt ein Thema für die betriebliche Weiterbildung? Dort geht es doch eher um fachliche Qualifikationen als um Wellness und Wohlbefinden.

Zuzana Blazek: Nein, Weiterbildung ist viel mehr als das Sammeln von Fachwissen und Qualifikationen.  Das haben aber viele Unternehmen bereits erkannt. Was das Thema Resilienz angeht: Wenn ich vor zehn Jahren vor Geschäftsführern über Resilienz gesprochen habe, haben die meisten noch mit den Augen gerollt. Heute hören sie aufmerksam zu. Corona war ein krasser Boost. In Zeiten von globalen Krisen, Digitalisierung, Remote Work und Fachkräftemangel wird psychische Gesundheit zum Zukunftsthema Nummer Eins. Resilienz ist kein Management-Chichi und hat nichts mit Wellness oder Gut-Menschentum zu tun. Um zu bestehen und wirtschaftlich erfolgreich zu sein, brauchen Unternehmen psychisch gesunde, produktive und leistungsfähige Mitarbeiter. Der vielzitierte Fachkräftemangel ist ja noch längst nicht am höchsten Punkt angekommen. In ein paar Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, werden wir uns nach den heutigen Verhältnissen man könnte fast sagen „zurücksehnen“.

Was sollten Unternehmen beim Thema Resilienz also tun?

Zuzana Blazek: Zum einen durch Weiterbildung und Training die individuelle Resilienz ihrer Mitarbeitenden stärken. Wenn Zeit und Geld begrenzt sind, empfehle ich, bei den Führungskräften zu beginnen. Die sind zum einen Multiplikatoren und haben zudem Vorbildfunktion. Wenn Vorgesetzte zum Coaching gehen, signalisiert das dem Team: Es ist okay, sich zu öffnen und hat nichts mit Schwäche oder Mängelbeseitigung zu tun. Darüber hinaus hat Resilienz aber auch eine organisationale Komponente. Mitarbeitende können individuelle Resilienz nur leben und entfalten, wenn die Organisation das zulässt. Das ist ein langer Prozess, aber es lohnt sich.

Welche Vorteile haben Unternehmen, die an ihrer Resilienz arbeiten?

Zuzana Blazek: Kurz gesagt: Sie werden es sein, die auch in Jahren noch erfolgreich am Markt sind. Wer sich aktiv und freiwillig um das Wohlergehen und die Gesundheit seiner Mitarbeitenden kümmert, positioniert sich frühzeitig als attraktiver Arbeitgeber. Die junge Generation, die jetzt ins Berufsleben einzieht, fordert schützende Strukturen und gesunde Arbeitsbedingungen viel selbstverständlicher ein als alle anderen zuvor.  Unternehmen sind also gut beraten sich mit den Themen persönliche und organisationale Resilienz zu beschäftigen und das Unternehmen dahingehend aktiv zu entwickeln.

Das Interview führte Kirstin von Elm

Zur Person: Zuzana Blazek (Jahrgang 1979) hat BWL und Kulturmanagement an der Hochschule Heilbronn studiert und begann ihre Karriere als Journalistin und Redakteurin bei der Deutschen Welle in Bonn. Seit 2006 arbeitet sie beim Institut der deutschen Wirtschaft und ist heute Senior Researcherin im Kompetenzfeld Berufliche Qualifizierung und Fachkräftesicherung. Zu ihren Schwerpunkten zählen Employer Branding, (virtuelle) Führung, Strategische Personalarbeit, Resilienz und Stellenbesetzung der Zukunft. Sie hält zu diesen Themen bundesweit Vorträge, führt Workshops durch und schreibt Beiträge für Fachzeitschriften und andere Medien. Zuzana Blazek lehrte u. a. an der ISM, EUFH Medica und Hochschule Fresenius Employer Branding, Resilienz im BGM, Personalentwicklung und Personalmanagement. Sie ist ausgebildeter Systemischer Business-Coach (2014).

 

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