Unter dem Motto „Sinn statt Gewinn“ hilft die Berliner Weiterbildungsorganisation „On Purpose“ Menschen bei der Suche nach ihrem individuellen Purpose-Gefühl. Die Teilnehmer profitieren von Coachings, Workshops und Projekten in Partnerorganisationen und Unternehmen. Für Letztere macht die Zusammenarbeit auch noch auf anderer Ebene Sinn: als Ergänzung zum klassischen Recruiting.
Von der Global Strategy Managerin bei Telefonica zum Betreuungsportal Little Bird oder vom Teamleiter Vertrieb bei Ferrero zur Quinoa Schule für sozial benachteiligte Jugendliche. So schnell kann es gehen, wenn Menschen, die mit beiden Beinen im Beruf stehen, sich plötzlich die Frage nach dem Sinn stellen. Und wenn sie sich für „On Purpose“ entscheiden. „Es gibt immer mehr Menschen, die einen Job mit Sinn suchen und es gibt sozial-ökologische Unternehmen, die Zugang zu hochmotivierten berufserfahrenen Talenten suchen – wir bringen beide zusammen“, beschreibt Frederic Simon, Geschäftsführer von „On Purpose“, den Sinn des Berliner Weiterbildungsorganisation.
Der „gap“ zwischen Karriere und Werten
In einem einjährigen Programm durchlaufen die sogenannten Associates zwei Partnerorganisationen, für die sie je sechs Monate an einem konkreten Projekt arbeiten. Begleitet werden sie von erfahrenen Mentoren und Coaches, jede Woche finden Workshops statt. Wer entscheidet sich für so ein Programm? Frederic Simon weiß das, denn er war selbst Associate, bevor er die Leitung bei „On Purpose“ übernahm. „Ich war vorher Bereichsleiter und Prokurist bei einem mittelständischen Reiseveranstalter. Es ist auch gar nicht so, dass ich darin keinen Sinn gesehen habe, denn ich habe dafür gesorgt, dass Menschen eine schöne Reise machen. Aber immer mehr habe ich mir die Frage gestellt: Was will ich wirklich? Dann habe ich mithilfe eines Coachings geschaut, wie sich meine Werte verändert haben und wie sich meine Karriere entwickelt hat. Ich musste feststellen, dass da ein ganz schöner ‚gap‘ war.“ Dann stieß er schließlich auf „On Purpose“ – und blieb.
„Der Purpose ist nicht in Stein gemeißelt“
Statt Menschen auf eine Reise zu neuen Kulturen zu schicken, begleitet er sie nun auf ihrer persönlichen Reise zu ihrem Job mit Sinn. Rund 30 Associates starten jedes Jahr in die Weiterbildung mit dem Motto „Sinn statt Gewinn“. Ein Hochschulstudium ist Voraussetzung, genauso wie mehrjährige Berufserfahrung und eine Karriereentwicklung. Nach einem Assessment, in dem auch Soft Skills gefragt sind, ergattern acht bis zehn Prozent der Bewerber einen Platz. Alle wollen etwas Sinnvolles machen, aber noch nicht alle wissen, wo der Weg hingehen soll.
Das müssen sie auch nicht, denn dabei kann „On Purpose“ helfen: „Jeder einzelne Mensch hat ja seinen persönlichen Sinn, das ist ganz individuell. In Selbstreflexion und Analyse kann man das herausfinden und die Associates erlernen Techniken, wie man auf diesen Sinn stößt, also auf das, was man wirklich will“, sagt Frederic Simon. Was für ihn den Druck herausgenommen hat, war die Einsicht: „Der Purpose darf sich weiterentwickeln, der ist nicht in Stein gemeißelt. Ich muss nicht wissen, was ich in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren machen will. Ich muss nur herausfinden, was will ich gerade in meiner ganz konkreten aktuellen Situation: Was ist jetzt für mich das Wichtigste?“
Doch auch die ganz konkrete Projektarbeit steht im Fokus. Wie vielfältig die Organisationen sind, mit denen „On Purpose“ für die sechsmonatigen Einsätze (die sogenannten „Placements“) zusammenarbeitet, zeigen Frederic Simons Stationen: „Zuerst war ich bei einem Bafin-regulierten Finanzdienstleister, der sich für nachhaltige und wirkungsvolle Investments einsetzt. Dann kam der Kulturschock bei einem Start-up, dass die Kaffee-Lieferkette verkürzen wollte – das hat wirklich alle Klischees bedient.“ Von großen renommierten Stiftungen bis zum ganz neuen Startup ist alles dabei.
Die Eintrittskarte in die Sozialunternehmensszene
Die Associates profitieren auch davon, den Weg ein Jahr lang zusammen mit den anderen Teilnehmern – mit ganz anderem Background aber gleichem Mindset – zu gehen. „Da entsteht ein starkes Bonding“ – und oft auch konkrete berufliche Chancen: „Viele Leute aus meinem Jahrgang haben über Kontakte ins Netzwerk Stellen oder freiberufliche Aufträge gefunden. Ich selbst konnte für mein zweites Placement durch die Gemeinschaft Kontakt zu einem strategisch sehr wichtigen Partner aufbauen und eine Kooperation auf die Beine stellen“, sagt der Teilnehmer Maximilian Müller in seinem Erfahrungsbericht. Für Associate Hanna Weck war „On Purpose“ die Eintrittskarte in die Berliner Sozialunternehmensszene, „das direkte Kennenlernen von zwei Sozialunternehmen im Arbeitseinsatz, ein großes Netzwerk mit Akteuren aus weiteren spannenden Organisationen“, beschreibt sie.
Ergänzung zu klassischen Recruiting-Tools
Doch auch die Organisationen profitieren: „Die Unternehmen bekommen motivierte, berufserfahrene Talente, die den unverstellten Blick von außen mitbringen: Sie sind nicht schon zehn Jahre in einer NGO, sondern stellen Fragen, die sich da schon lange keiner mehr gestellt hat“, sagt Frederic Simon. Christian Sigmund, Mitgründer der Wildplastic GmbH, sagt: “Zwischendurch war ich unsicher, ob der Modus für uns funktionieren würde – und jetzt wurde ich eines Besseren belehrt. Unsere Associate bringt ganz viel Energie und Wissen aus den On Purpose-Sessions mit. Das ist ein Game Changer für uns“, sagt er.
Durch den moderaten Kosten- und Zeitaufwand ist die Partnerschaft mit „On Purpose“ für viele Organisationen auch eine Ergänzung zu klassischen Recruiting-Tools. Katharina Reuter, Geschäftsführerin von UnternehmensGrün e.V., sagt: „Über On Purpose haben wir Zugang zu Talenten mit traditionellem Wirtschaftshintergrund, die in gesellschaftlich engagierte Organisationen wechseln möchten. Diese Motivation – verbunden mit einer sehr guten Ausbildung – sorgt für einen besonderen Kompetenz- und Erfahrungsschatz.”
Frederic Simon steht voll hinter der Idee und glaubt an die Win-Win-Situation für Sinnsucher und soziale Unternehmen: „Letztendlich ist es ja das Ziel, dadurch den sozial-ökonomischen Sektor zu stärken. Wenn man feststellt, dass man den aktuellen Status Quo in unserer Gesellschaft nicht gut findet, dann muss man selbst aktiv werden.“
Text: Maria Zeitler