Als Anfang des Jahres 45 deutsche Unternehmen und Organisationen ein Experiment zur Einführung der Vier-Tage-Woche starteten, war ihnen große Aufmerksamkeit sicher. Schließlich wird über Sinn und Unsinn einer solchen Arbeitszeitreduzierung schon seit Jahren heftig diskutiert. Ein Zwischenbericht des Projekts zeigt nun, dass es bei der Umsetzung an vielen Stellen hakt. Könnten Digitalisierung und KI dabei helfen, die Probleme zu meistern?
Die Einführung der Vier-Tage-Woche stellt für viele Unternehmen eine größere Herausforderung dar als erwartet. Seit Februar wollten 45 Organisationen in Deutschland dieses Modell für rund ein halbes Jahr testen. Eigentlich. Denn ein nun veröffentlichter Zwischenbericht zeigt, dass rund 40 Prozent der Unternehmen mehr Zeit für die Vorbereitung benötigten und erst im März oder sogar noch später starteten. "Es geht nicht nur um den Arbeitsprozess, sondern auch darum, wie man das Team durch diesen Wandel führt. Manche Mitarbeiter sind offener dafür als andere", berichtet Carsten Meier von der Unternehmensberatung Intraprenör die das Projekt in Deutschland initiiert hat, die Universität Münster begleitet es wissenschaftlich.
Das Experiment basiert auf dem Konzept 100-80-100: 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung. Doch knapp die Hälfte der Organisationen hat die Arbeitszeit nur um maximal 10 Prozent verkürzt. "Viele Unternehmen setzen die verdichtete Vier-Tage-Woche mit geringerer Arbeitszeitverkürzung als geplant um", erläutert Meier. Dabei arbeiten die Mitarbeiter an vier Tagen etwas länger, der fünfte Tag ist frei. 38 Prozent der Unternehmen kürzten die Arbeitszeit um genau 20 Prozent.
Parallel zu ausführlichen Gesprächen mit Beschäftigten und dem Management erhebt das Projekt weiterreichende Daten, etwa zur Schlafqualität, Herzfrequenz und zum Aktivitätslevel der teilnehmenden Angestellten über Fitnesstracker. Haarproben sollen zudem den tatsächlichen Stress über das dort vorhandene Cortisollevel messen. Diese physiologischen Messdaten ergänzen die Selbsteinschätzungen durch Fragebögen. "Uns interessiert vor allem die Mitarbeitenden-Perspektive", erzählt Prof. Julia Backmann, die Studienleiterin der Uni Münster. "Viele von ihnen sehen die Vier-Tage-Woche positiv, andere bleiben aber skeptisch. Wenn zum Beispiel für den freien Tag jeden Tag eine Stunde länger gearbeitet wird, dann empfinden das manche, je nach Branche, als sehr belastend." Ihr Fazit: Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen ihre Arbeitszeit zwar flexibler gestalten, aber nicht zwangsläufig auf vier Tage verteilt.
Intraprenör kooperiert bei dem Projekt mit der Organisation 4 Day Week Global, die ähnliche Projekte in anderen Ländern durchgeführt hat. In Großbritannien zeigten sich viele Unternehmen anschließend sehr interessiert. Da die Teilnahme freiwillig ist, sind die Ergebnisse weder für Großbritannien noch für Deutschland repräsentativ. Mehr als die Hälfte der hierzulande teilnehmenden Unternehmen hat zwischen 10 und 49 Mitarbeiter. Die am stärksten vertretene Branche sind "Beratungs- und Agenturdienstleistungen" mit 13 Prozent.
Der Zwischenbericht deutet an, dass die veränderten Arbeitszeiten die Digitalisierung vorantreiben könnten. "Es geht auch darum, endlich digitale Lösungen umzusetzen", so Meier. Einige Unternehmen haben solche Lösungen eingeführt, um ihre Prozesse anzupassen. Überraschend oft wurden Digitalisierung und der Einsatz von KI als Strategien genannt. "Wir bewegen uns im Mittelstand, dem oft vorgeworfen wird, bei solchen Themen zu langsam zu sein. Vielleicht kann ein Angst-Thema wie KI, vor dem viele Mitarbeiter Sorgen haben, neu bewertet werden."
Positive Effekte durch die Vier-Tage-Wioche gibt es allerdings auch: Einige teilnehmende Unternehmen erhielten "signifikant mehr Bewerbungen bei gleichbleibender Qualität". Und schließlich seien "viele Mitarbeiter eher bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen und neue Ideen einzubringen", sagt Meier. Allerdings sind zwei Organisationen nach zwei Monaten ausgestiegen. Das läge wohl weniger an der Vier-Tage-Woche als an der wirtschaftlichen Gesamtlage, auf die man sich konzentrieren wolle, so die Projektverantwortlichen.
Eine regelmäßige Vier-Tage-Woche bieten laut einer Ifo-Umfrage mittlerweile elf Prozent der deutschen Unternehmen an. Das hat allerdings seinen Preis: In diesen Betrieben verzichtet mehr als die Hälfte der Mitarbeiter für die Vier-Tage-Woche auf einen Teil ihres Gehalts. Weitere 39 Prozent leisten ihre volle wöchentliche Arbeitszeit in vier statt bisher fünf Tagen, teilten die Wirtschaftsforscher am Freitag mit. Nur 10 Prozent können ihre Arbeitszeit bei vollem Lohn verringern.
Für mehr als zwei Drittel der befragten Firmen ist eine Vier-Tage-Woche schlicht nicht möglich oder kein Thema. „Viele Personaler erwarten durch eine verkürzte Arbeitszeit einen größeren Bedarf an Beschäftigten“, sagte Ifo-Fachreferentin Diana Schaller in München. 61 Prozent der befragten Firmen sehen sich dem Fachkräftemangel bei einer Vier-Tage-Woche noch mehr ausgeliefert, 52 Prozent sehen den zusätzlichen organisatorischen Aufwand als ein Hindernis, 40 Prozent erwarten Einkommensverluste für die gesamte Wirtschaft. Das Ifo-Institut hatte im Auftrag des Personaldienstleisters Randstad mehr als 600 Personalchefs von Unternehmen in Deutschland befragt.
TH / red