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Data, KI-Bots und Apps: Darauf setzt die Bahn bei der Personalsuche

DB-Recruitingchefin Kerstin Wagner im Interview

26. April 2023

Sie leitet das größte Recruiting-Team Deutschlands und hat allein im letzten Jahr 28.000 Menschen eingestellt. Kerstin Wagner* ist Leiterin der Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn, verantwortlich für 1.000 Mitarbeitende und bestens vertraut mit allen Facetten des Wettbewerbs um Talente. Am 14. Juni ist die Recruiting-Expertin live auf der NWX23 in Hamburg, berichtet von aktuellen Trends und Herausforderungen im Personalmarketing und der Talentgewinnung für einen der größten deutschen Arbeitgeber. Im Vorfeld des Events sprach sie mit dem NWX Magazin über Chatbots im Bewerbungsprozess, Home Office für Lokführer:innen und den Wunsch vieler Menschen nach einem flexiblen Job mit Sinn. 

NWX Magazin: Frau Wagner, der jährliche Personalbedarf der Deutschen Bahn entspricht mittlerweile der Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt wie Meißen. Geht das auch 2023 so weiter?

Kerstin Wagner: Ja, auch in diesem Jahr wollen wir rund 25.000 Stellen besetzen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen trifft uns genau wie viele andere Unternehmen der demografische Wandel. Wir müssen also viele Kolleg:innen ersetzen, die altersbedingt ausscheiden. Zweitens wollen wir weiterhin wachsen. Um die Verkehrswende und den Klimaschutz voranzutreiben, investieren wir in neue Infrastruktur und mehr Züge. Das erfordert auch deutlich mehr Personal. Drittens entstehen im Zuge der Digitalisierung neue Jobprofile, für die wir Kandidat:innen suchen. Nehmen Sie zum Beispiel den Data Scientist. Vor wenigen Jahren gab es diesen Beruf noch gar nicht, heute rekrutieren wir Datenprofis für viele Bereiche, darunter auch die Personalgewinnung.

Sie suchen also nicht bloß Zugbegleiter und Lokführer?

Kerstin Wagner: Nein, bei der Deutschen Bahn gibt es eine enorme Bandbreite an Jobs. Vom Praktikum bis ins Top-Management haben wir rund 500 verschiedene Berufsprofile für Auszubildende, Fachkräfte und Akademiker:innen zu besetzen. Natürlich suchen wir laufend Zug- und Servicepersonal, aber auch in Bereichen wie Bauwesen, Elektro- und Gebäudetechnik oder IT haben wir großen Bedarf. 

Wozu brauchen Sie Data Scientists im Recruiting?

Kerstin Wagner: Recruiting ist ein datengetriebenes Geschäft und ich brauche leistungsfähige Analysetools, um schnell die richtigen Schlüsse zu ziehen. An einem durchschnittlichen Tag haben wir beispielsweise 9.000 Stellenanzeigen online, die können Sie nicht mehr manuell durchgehen und optimieren. Auch um Stellenanzeigen automatisch zu generieren oder für das Matching von mehr als 400.000 Bewerbenden pro Jahr mit offenen Stellen in ganz Deutschland nutzen wir smarte Algorithmen. Deshalb beschäftigen wir im Recruiting ein eigenes Datenteam und außerdem auch ein Tech-Team, das sich mit innovativen Technologien wie KI oder Virtual und Augmented Reality befasst.

In der Personalgewinnung geht es um Menschen. Welche Rolle spielt Technologie?

Kerstin Wagner: Aus meiner Sicht eine Schlüsselrolle. Wir nutzen Daten und neue Technologien, um die Menschen im Team zu unterstützen und den Bewerbungsprozess so attraktiv und kandidatenfreundlich wie möglich zu gestalten. Das Thema ist mir sehr wichtig und ich bin stolz darauf, dass wir in Deutschland oft zu den Vorreitern gehören.

Haben Sie dafür mal ein Beispiel?

Kerstin Wagner: Wir nutzen schon seit vielen Jahren VR im Personalmarketing. Anhand von 3D-Videos können junge Leute spannende Arbeitsplätze virtuell erleben, zu denen man normalerweise keinen Zutritt hat, zum Beispiel eine Leitzentrale oder ein ICE-Werk. So gewinnen sie einen lebendigen Eindruck von eher unbekannten Berufen wie Gleisbauer:in, Lokrangierlokführer:in oder Zugverkehrssteuerer:in. Und als Alternative zur Online-Bewerbung ist bei uns seit April die spontane Chat-Bewerbung per Smartphone mit unserem neuen KI-Chatbot möglich.

Gerade in der IT oder technischen Berufen ist die Konkurrenz groß. Wie gehen Sie bei der Deutschen Bahn vor, um Talente für sich zu gewinnen? 

Kerstin Wagner: Der deutsche Arbeitsmarkt ist definitiv eng, deshalb ist das Ausschöpfen sämtlicher Marktpotenziale für mich eine der zentralen Aufgaben im Recruiting. In den letzten Jahren haben wir bereits viele Maßnahmen implementiert, um diverser zu rekrutieren. Das Alter spielt beispielsweise im Bewerbungsprozess bei uns keine Rolle. Den März haben wir zum Weltfrauenmonat erklärt und bei zahlreichen Events bundesweit als attraktive Arbeitgeberin für Frauen vorgestellt – gerade auch in technischen Berufen oder Führungspositionen. Wir helfen Geflüchteten beim Jobeinstieg und rekrutieren im Ausland, zum Beispiel in Griechenland, Rumänien, Spanien, der Türkei und seit kurzem sogar in Ägypten. Und wir arbeiten an einem möglichst barrierefreien Bewerbungsprozess. Unsere Karriereseite ist zum Beispiel barrierefrei – ein Vorteil z.B. für Menschen, die nicht sehen können. Darüber hinaus haben wir unser Inklusionszentrum etabliert. Hier beraten geschulte Inklusionsberater:innen Bewerbende mit Inklusionsbedarf.

Home Office und flexible Arbeitszeiten stehen bei Jobsuchenden hoch im Kurs. Die Bahn muss Züge abfertigen und Fahrpläne einhalten. Ein Problem bei der Personalgewinnung?

Kerstin Wagner: Flexibilisierung und Individualisierung sind zweifellos wichtige Arbeitsmarkttrends, auf die wir uns weiter  einstellen müssen und werden. Wir gehen heute bereits sehr offen auf die individuellen Lebensumstände und Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden ein. Zum Beispiel gibt es bei uns die Möglichkeit, , zwischen einer Gehaltserhöhung oder mehr Urlaub zu wählen. Wir bieten seit 2022 „Wo Du willst-Jobs“, für die man nicht mehr umziehen muss. Unser Zugpersonal ist zwar an Strecken und Fahrpläne gebunden, Homeoffice für Lokführer gibt es also leider nicht. Aber beim Fernverkehr können zum Beispiel Dienste per App flexibel nach den eigenen Wünschen gebucht oder untereinander getauscht werden.

Apropos Fahrplan – wer öfter mit der Bahn fährt, hat nicht nur positive Erlebnisse. Erschweren Verspätungen, Zugausfälle, Baustellen und rote Zahlen das Personalmarketing?

Kerstin Wagner: Das würde ich nicht sagen. In externen Rankings hat sich die Deutsche Bahn in den letzten Jahren sogar deutlich verbessert und gilt heute als attraktive Arbeitgeberin. Zum einen stehen wir für Jobsicherheit und attraktive Rahmenbedingungen. Zum anderen tun wir alles dafür, um bekannter zu machen, dass wir mitten in einem spannenden Transformationsprozess stecken. Mobilität und Klimaschutz gehen alle an und an diesen wichtigen Themen arbeiten wir hier. Ich sage immer: Ja, es gibt noch vieles zu verbessern und genau deshalb suchen wir gute Leute, die das im Team DB hinkriegen. Immer mehr Menschen wünschen sich einen Job mit Sinn und positivem Veränderungspotenzial – da haben wir hier das perfekte Angebot. 

Das Interview führte Kirstin von Elm

*Zur Person: Als Leiterin der Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn AG verantwortet Kerstin Wagner seit 2012 die Bereiche Employer Branding, Recruiting, globale Governance und Zeitarbeit unter einem Dach. Mit ihrem knapp 1.000-köpfigen Team arbeitet sie daran, mit einer innovativen und modernen  Personalgewinnung für den Schienenkonzern jedes Jahr zehntausende Mitarbeitende zu rekrutieren. . Darüber hinaus engagiert sie sich für Themen rund um New Work, Technologie und Diversity. Das Recruiting sieht Kerstin Wagner als Innovationsschmiede für HR, da hier Trends und neue Technologien oft zuerst ausprobiert werden können.


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