Krisen wie die Corona-Pandemie, der russische Überfall auf die Ukraine und die Sorgen wegen Inflation und Energieknappheit verändern auch die Anforderungen am Arbeitsmarkt hierzulande. Deutlich häufiger als noch vor wenigen Jahren verlangen Unternehmen in ihren Stellenanzeigen Besonnenheit, Einfühlungsvermögen und eine positive Grundeinstellung von ihren zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das ergab eine aktuelle Untersuchung der Bertelsmann Stiftung für ihren neuen "Jobmonitor". Bei einer bestimmten Kompetenz gab es eine Überraschung.
Eine Analyse von mehr als 48 Millionen Stellenanzeigen zeigt, wie viel sich bei den Anforderungsprofilen nach „Soft Skills“ und anderen berufsübergreifenden Kompetenzen in den vergangenen vier Jahren verändert hat, so die Studienleiter. In Zeiten der Dauerkrise steigt bei den Unternehmen die Nachfrage nach Besonnenheit (+73 Prozent), Einfühlungsvermögen (+39 Prozent) und einer positiven Grundeinstellung (+26 Prozent) besonders deutlich an. Auch ein sicherer Umgang mit Daten (+62 Prozent) und digitaler Identität (+34 Prozent) wird stärker gefordert. Das könnte eine Folge der Coronakrise mit mehr Homeoffice und OnlineKommunikation sein. Denn auch die Fähigkeit, andere zu motivieren, gewinnt in Zeiten zunehmend virtueller Teams an Bedeutung (+37 Prozent).
„Mit diesen wichtigen Daten eröffnet der Jobmonitor der Bertelsmann Stiftung neue Chancen für mehr Transparenz am Arbeitsmarkt. Gerade von der hohen regionalen und zeitlichen Differenzierung profitieren Arbeitssuchende, Arbeitsvermittlungen, regionale Fachkräfteinitiativen und Weiterbildungsplanende“, sagt Matthias Ziegler, Professor an der Humboldt Universität zu Berlin, einer der Autoren der Studie.
Einsatzbereitschaft und Teamfähigkeit bleiben die Spitzenreiter bei den Soft Skills
Dennoch hat selbst die Dauerkrise die Klassiker unter den Soft Skills nicht von ihren Spitzenplätzen verdrängen können. So forderten die Arbeitgeber im August 2022 noch in knapp der Hälfte der untersuchten Online-Stellenanzeigen „Einsatzbereitschaft“. In einem Drittel der Job-Angebote ist „Teamfähigkeit“ gefragt. In einem Viertel der Anzeigen fordern sie „Selbstständigkeit“. „Kreatives Denken“ oder „Sorgfalt“ spielen dagegen nur eine nachgeordnete Rolle. Eine vermeintliche Selbstverständlichkeit widerlegt der Jobmonitor: Das Thema Digitalisierung ist keineswegs auf breiter Front in der Arbeitswelt angekommen. Digitale Grundkompetenzen sind zwar besonders wichtig bei Finanzen, Recht und Management, in mehr als der Hälfte aller Berufsgruppen spielt der kompetente Umgang mit klassischen Office-Programmen dagegen nicht einmal in jeder zehnten Jobanzeige eine Rolle.
Verlässlichkeit ist in östlichen Bundesländern stark gefragt
Der Jobmonitor der Bertelsmann Stiftung zeigt zugleich auch deutliche regionale Unterschiede bei der Nachfrage nach bestimmten Soft Skills auf. Das belegt der Blick auf das Thema „Verlässlichkeit“. Zum einen ist die Nachfrage in den Städten deutlich geringer als in ländlichen Regionen. Zum anderen wird diese klassische Kerntugend – sie wird in 20 Prozent aller Online-Jobanzeigen bundesweit eingefordert – in den neuen Bundesländern deutlich häufiger nachgefragt als in den alten. Dies dürfte unter anderem mit regionalen Werteunterschieden zusammenhängen, die sich auch in den Untersuchungen der Bertelsmann Stiftung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zeigen.
*Über den Jobmonitor der Bertelsmann Stiftung: Die Basis des Jobmonitorsbilden Daten aus mehr als 48 Millionen Online-Jobanzeigen. Täglich kommen etwa 200.000 Stellenanzeigen hinzu, die für die Studie per Algorithmen ausgelesen und analysiert werden. Damit sind nach Auskunft der Bertelsmann-Stiftung tagesaktuelle Aussagen auf Bundes- und Landesebene sowie auf Ebene der rund 400 Kreise und kreisfreien Städte möglich.