Braucht NEW WORK immer gleich das globale Change Programm? „Nein“, sagt Dr. Wibke Jürgensen und ruft dazu auf, „einfach mal zu machen“, statt auf Veränderung zu warten. Mit ihren "Grassroots Hacks" liefert sie zusammen mit Nadine Nobile und Dr. Wiebke Ankersen die passenden Werkzeuge zur leichtgewichtigen Einführung neuer Formen des Arbeitens, etwa beim Thema Vergütung.
Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Geprägt von NEW WORK Ansätzen und befeuert durch die neue Arbeitsrealität während der Corona-Pandemie verändert sich gerade der öffentliche Diskurs rund um Arbeit und Führung. Doch die Realität in vielen Organisationen hinkt diesen Entwicklungen meist deutlich hinterher, wie der Blick auf Themen wie alternative Vergütungsmodelle, Diversity oder Partizipation zeigt. Denn jenseits der glänzenden NEW WORK-Fassade trifft man meist auf Change Programme, die nicht die aktuell benötigte Flexibilität und Geschwindigkeit aufweisen.
Wir brauchen deshalb neuen Formate, mit denen – unabhängig von Initiativen des Top-Managements – echter Wandel aus der Organisation heraus angestoßen werden kann. So entstand die Idee der Grassroots Hacks.
Virale Verbreitung statt verordneter Wandel
Das zentrale Credo der Grassroots Hacks lautet dabei: Wirksamkeit durch Partizipation. Im Gegensatz zu klassischen Change-Programmen, die einer festen Choreografie folgen und Einzelnen wenig Beteiligungsmöglichkeiten bieten, soll jede*r in der Organisation sofort tätig werden können. Mit Parallelen zu Theorien und Methoden von SCRUM, Design Thinking, Agiles Management und Selbstorganisation, liefern Grassroots Hacks dafür die passenden Werkzeuge: Meist in Form von leichtgewichtigen Übungen, Methoden oder Meeting-Formaten, die ohne lange Vorlaufzeit und hohen Ressourceneinsatz umsetzbar sind, wie beispielsweise die Einführung von Innovations-Zeit.
Das geschieht oft ungeplant, ohne feste Zielsetzung, im Sinne von kleinen Experimenten. Im Idealfall entsteht so ein Klima, das die Entstehung und Ausbreitung von NEW WORK-Initiativen in der gesamten Organisation fördert bzw. trifft auf Change-Programme, die wiederum diese Impulse aufgreifen. Insgesamt geht es bei Grassroots Hacks allerdings weniger um einen strategischen Ansatz, als darum, „ins Machen“ zu kommen und Berührungsängste zu neuen Formen der Arbeit abzubauen.
Mit Grassroots Hacks gegen das Gehalts-Tabu
Ein Thema, bei dem dieser Aspekt besonders zum Tragen kommt, ist der Komplex New Pay: Kaum ein anderes Thema ruft so starke Vorbehalte hervor wie Fragen rund um Gehaltstransparenz und alternative Vergütungsmodelle. Gerade vor diesem Hintergrund können Grassroots Hacks einen wertvollen Beitrag leisten, um Bedenken und Berührungsängste bei diesem vermeintlichen Tabuthema zu überwinden und einen konstruktiven Dialog anzustoßen.
Wie das konkret aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus der Grassroots Hacks Masterclass im Rahmen der NWX21: Als Einstieg in das Thema Gehaltstransparenz wurden die Teilnehmer*innen dort mit der Frage konfrontiert: „Was war dein erster Job und was hast du dort verdient?“. Durch Impulse wie diesen entsteht eine offene Gesprächsatmosphäre und ein persönlicher Bezug zum Thema, der die weitere Diskussion befruchtet. Diese Impulse müssen dabei nicht immer bewusst gesetzt werden, sondern können auch von außen kommen. So kann z.B. auch das Offenlegen von Gehältern bei Karriereplattformen wie Kununu ein erster Hack in Richtung Gehaltstransparenz sein.
Gehaltsentscheidungen partizipativ gestalten
Wie New Pay Initiativen erfolgreich in der Organisation Fuß fassen können, zeigt ein Grassroots Work Hack am Hamburger iteratec-Standort: Im gesamten Unternehmen ist die Gehaltsentwicklung der rund 390 festangestellten Mitarbeiter*innen an ein jährliches Ranking gekoppelt. Dabei werden alle Angestellten eines Standorts unabhängig von ihrer aktuellen Gehaltsstufe in einer Rangliste eingeordnet, die Leistungsfähigkeit, Wertbeitrag und persönliche Weiterentwicklung jede*r Einzelnen berücksichtigt, um anschließend die Gehälter an die Reihenfolge im Ranking nach oben hin anzupassen. Erfolgte diese Einsortierung bislang durch die Geschäftsleitung, können die Mitarbeiter*innen am Standort Hamburg seit dem vergangenen Jahr Kolleg*innen wählen, die sie im Ranking-Prozess vertreten. Dadurch wird einerseits das Vertrauen ins Team gestärkt und andererseits eine direkte Beteiligung der Mitarbeiter*innen am Gehaltsbildungsprozess erreicht.
Nachhaltige Veränderung entsteht im Zusammenspiel
Weder Grassroots Hacks noch große Transformationsprogramme können für sich allein genommen nachhaltig erfolgreich sein: So verlaufen Einzelimpulse, die bottom-up entstehen, in der Organisation aber nicht weiter kanalisiert werden, meist nach einer Weile im Sande. Umgekehrt scheitern viele große Transformationsprojekte daran, dass sie die Mitarbeiter*innen aufgrund fehlender Beteiligungsmöglichkeiten nicht erreichen. Wer nachhaltige Veränderung erzeugen will, muss daher beide Ansätze zusammen denken.
Um Grassroots Hacks ging es bei Wiebke Ankersen und der iteratec auch in ihrer Masterclass im Rahmen der NEW WORK EXPERIENCE 2021 im April abgehalten. Eine Zusammenfassung der NWX und einige weitere Höhepunkte gibt es unter diesem Link.