Endorsement

„Die Pandemie sorgt für eine Vermenschlichung der Arbeitswelt“

SAP-Personalchef Cawa Younosi im Interview

2. April 2021

Virtuelles Grillen, Weintasting und Varieté: SAP verlegt die „Campfire-Events“ in den digitalen Raum und schafft in Corona-Zeiten Nähe und Zusammenhalt. Den Mitarbeitern geht es trotz der Pandemie besser als zuvor, sagt SAP-Personalchef Cawa Younosi im Interview mit dem NWX Magazin. Dass der Cultural Change hin zu Wertschätzung und Achtsamkeit im Konzern schon vorher erfolgte, hat geholfen: Denn Corona allein sorge nicht über Nacht für Erleuchtung.

NWX Magazin: Bei SAP werden alle Führungspositionen in Teilzeit ausgeschrieben. Wie ist das beim „Head of People Germany“?

Cawa Younosi: Ich arbeite aktuell in Vollzeit, weil ich es kann. Teilzeit ist ja nicht per se „cool“, sondern notwendig, wenn man beispielsweise kleine Kinder hat und die Familie zu Recht in dieser Zeit an allererster Stelle steht. Warum sollte man nicht trotzdem eine Führungsposition einnehmen können? Mein Sohn ist schon im Teenager-Alter, also kann ich Vollzeit arbeiten – wenn es aber aus irgendwelchen Gründen notwendig wäre, würde und könnte ich sofort in Teilzeit wechseln.

Ob Vollzeit oder Teilzeit, bei Ihnen herrscht Vertrauensarbeitszeit – und mehr als vereinbart zu arbeiten, ist dabei nicht gern gesehen.

Younosi: Das stimmt, bei uns wird das Thema Achtsamkeit groß geschrieben. Wenn ich von anderen Unternehmen höre, dass Leute ständig zehn Stunden oder mehr arbeiten müssen, kann ich nur den Kopf schütteln. Wir sitzen ja nicht in der Fabrik und machen Ziegelsteine und je länger ich arbeite, desto mehr Ziegelsteine kann ich schaffen. Wir sagen sogar, gerade während Corona: Im Zweifel geht die Familie vor, wir operieren ja nicht am offenen Herzen. Deshalb haben wir uns bereits zu Beginn der Pandemie dazu entschieden, dass unsere Mitarbeitenden keine Gehaltseinbußen befürchten sollen, wenn parallel zum Homeschooling nicht die volle Arbeitsleistung erbracht werden kann.

Wie hat sich die Pandemie bisher bei SAP auf die Unternehmenskultur insgesamt ausgewirkt?

Younosi: Trotz der Belastung durch Corona, die wir alle im Alltag spüren, haben wir hier eine enorme „Vermenschlichung“ der Kultur erlebt. Es gab eine Veränderung, die keiner der „Propheten“ des NEW WORK in den letzten Jahren geschafft hat. Alle wurden mehrdimensional: Die Mitarbeitenden waren nicht mehr nur SAPlerinnen und SAPler, sondern auch Väter, Mütter, Tierbesitzer, Pflegende, und so weiter. Wir haben zusammen gelacht und geweint und es gab in dem Sinn keine Hierarchie, weil alle im selben Boot saßen. Unsere Leute haben gemerkt, dass die Wertschätzung nicht nur ein Lippenbekenntnis ist und das sorgte dafür, dass sie improvisiert haben, kreativ wurden und irgendwie den Betrieb am Laufen halten wollten.

Hat Corona gezeigt, wer schon eine gute Unternehmenskultur hat – und bei wem es hapert?

Younosi: Auf jeden Fall. Nehmen wir die Care-Arbeit in der Familie: Bei vielen ist das gut verteilt, aber wo es vorher schon einen Schiefstand gab, hat die Pandemie das noch verstärkt. Das kann man gut auf die Unternehmenskultur übertragen. Die Unternehmen, die sich vorher nicht um ihre Kultur gekümmert haben, bekommen nicht durch Corona über Nacht eine Erleuchtung und werden vom Saulus zum Paulus.

Trotzdem fallen auch bei SAP gerade die für die Unternehmenskultur wichtigen „Campfire“-Events pandemiebedingt aus. Wie schaffen Sie das Miteinander in Zeiten des Abstands?

Younosi: Wir machen unzählige Aktionen wie virtuelles Grillen, Weintasting, Schokoladentasting und Malwettbewerbe. Wir haben auch Kochabende von Mitarbeitern aus allen Standorten: Zum Beispiel hat ein brasilianischer Kollege einen Kochabend für seine Teammitglieder aus aller Welt gemacht. Früher hätte er nur diejenigen Kollegen an seinem Standort getroffen – heute trifft er alle virtuell und es wird viel inklusiver. Weil viele das „Ausgeh-Gefühl“ vermissen, haben wir einen regelmäßigen digitalen Varieté-Abend eingeführt, mit Künstlern aus der Region, aber auch internationalen Gästen. Da gibt es dann einen roten Teppich, viele machen sich schick – und zuhause eine Flasche Rotwein dazu auf. Im März haben wir dadurch zusätzlich auch 13.000 Euro für diverse freischaffende Künstler eingespielt. Da entsteht ein unglaublich starkes Gemeinschaftsgefühl.

In der Pandemie kommt SAP auch zugute, dass es schon seit 2018 ein Achtsamkeitsprogramm gibt. Wie läuft das?

Younosi: Sehr gut. Damals habe ich mit anderen Führungskräften gesprochen und auch bei mir selbst bemerkt, dass ich irgendwann einmal in den Burnout schlittern könnte, wenn ich so weitermache. Von Achtsamkeit wusste ich damals nichts. Aber ich wusste: Wir müssen das aus dem Bioladen in den Supermarkt holen und sagen: Mindfulness ist cool! Die Resonanz hat uns dann überrollt und das hohe Niveau hält an. Fast die Hälfte aller Mitarbeitenden nimmt die Angebote wahr. 

Wie geht so ein Cultural Change? Das funktioniert ja nicht top-down – aber auch nicht ohne Vorleben der Führungskräfte. Wie schaffen Sie Veränderungen?

Younosi: Es ist wichtig, die Mitarbeiter, die die Werte leben, zu honorieren und das, was man nicht haben will, offen anzusprechen. Also ganz öffentlich die Mitarbeiter loben, die auf sich und andere achten oder zum Beispiel den Vater, der lange in Elternzeit geht. Überstunden werden entsprechend geächtet. So stellen wir raus, was ist hot – und was not. Und wenn man was verändert, muss man sich als HR danach auch auf den Marktplatz stellen und ansprechbar sein: „Cawa, das ist nicht gut, Cawa, das ist super, Cawa, mach das doch so und so…“ Dafür muss man immer greifbar sein.

„Hot“ ist bei SAP ja Vertrauensarbeitszeit und Vertrauensarbeitsort. Wie leben Sie das persönlich?

Younosi: Ich bin zuhause auch für Putzen und Einkaufen zuständig, das mache ich oft mal tagsüber und sage meinen Leuten nur Bescheid: „Ich bin jetzt mal bei Edeka und Aldi“. Wenn ich zuhause arbeite und es passt gerade nicht, mache ich die Kamera auch aus – oder wenn man gerade spazieren geht und die Bilder für die Kollegen jetzt nicht so schön wären. Klar macht es bei manchen Terminen Sinn, sich zu sehen, aber es gibt ja keine „Pflicht zur Kamera“.

Das Interview führte Maria Zeitler

Unser Gesprächspartner: Cawa Younosi ist seit 2015 Personalleiter Deutschland bei SAP SE und verantwortlich für rund 23.000 Mitarbeiter*innen. Zuvor war er gut vier Jahre als Director Corporate Affairs im Office des Geschäftsführers bei SAP Deutschland. Nach dem Jurastudium begann Younosi seine berufliche Laufbahn bei der Deutschen Telekom und wechselte nach Stationen bei TNT Express und Atos Origin im August 2009 zur SAP. 

Am 20. April 2021 ist Cawa Younosi auf einem hochrangig besetzten Panel im Rahmen unserer NEW WORK-Konferenz NWX21 zu sehen.

 


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