Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell: Über 60 Prozent der deutschen Unternehmen setzen auf ökologische Transformation, auch mit Blick auf zukünftige Einnahmechancen. Eine neue Studie zeigt, wie sich die Wirtschaft wandelt und welche Rolle Politik, Management und Mitarbeiter dabei spielen. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus diesem "Grünen Weg" für die Unternehmen?
Die grüne Welle rollt durch die deutsche Wirtschaft: Über 60 Prozent der Unternehmen in Deutschland setzen auf eine ökologische Neuausrichtung ihrer Produkte und Dienstleistungen und wollen damit ihr Geschäftsmodell nachhaltig transformieren. Das zeigt eine repräsentative Umfrage unter 500 Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern sowie Nachhaltigkeitsbeauftragten, durchgeführt von der Bertelsmann Stiftung und der ESCP Business School.
Recycling und verbesserte Materialkreisläufe stehen dabei fast ebenso hoch im Kurs. Die deutsche Wirtschaft sieht großes Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. Sieben von zehn Unternehmen erkennen noch ungenutzte Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Fast jedes zweite Unternehmen sieht sogar die Chance, ihr komplettes Geschäftsmodell zu verändern.
"Unternehmen wandeln sich und nehmen Nachhaltigkeit immer stärker in den Fokus. Deutschlands Geschäftsmodelle bergen eine große Transformationsreserve. Sie könnten in Zukunft zu einer nachhaltigen Wertschöpfung beitragen", sagt Florian Lüdeke-Freund, Professor für unternehmerische Nachhaltigkeit an der ESCP Business School.
Die Rolle der Politik ist dabei umstritten. Fast die Hälfte der Unternehmen empfand die Politik der Vergangenheit als Hemmnis. Für die Zukunft erhoffen sie sich verlässliche Rahmenbedingungen. Über 83 Prozent der Unternehmen sehen in Politik und Regulierung entscheidende Faktoren für eine nachhaltige Transformation ihrer Geschäftsmodelle.
Eine kleine Gruppe von "Transformatoren" (1 Prozent) hat den Wandel bereits weitestgehend vollzogen. 15 Prozent "Innovatoren" folgen ihnen. Fast zwei Drittel der Unternehmen (63 Prozent) passen ihre Geschäftsmodelle als "Adaptoren" an. Die restlichen 21 Prozent "Basis-Unternehmen" stehen noch am Anfang der Transformation.
Die Studie führt den "Reifegrad nachhaltiger Geschäftsmodelltransformation" als neues Maß ein. Auf einer Skala von 0 bis 1, wobei 0 für das Fehlen von Veränderung und Nachhaltigkeitsausrichtung steht und 1 für stark transformative und nachhaltige Geschäftsmodelle, erreicht die deutsche Wirtschaft insgesamt einen Wert von knapp 0,4.
Nachhaltigkeit ist dabei kein Selbstzweck: Wirtschaftliche Interessen stehen bei den Veränderungsprozessen im Vordergrund: "Mehr als die Hälfte der Unternehmen (53,3 Prozent) sieht in den steigenden, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Erwartungen ihrer Kunden eine wesentliche Chance für ihre Geschäftsmodelle. Ebenso betrachten jeweils knapp 40 Prozent der Unternehmen die Dekarbonisierung und das Etablieren einer Kreislaufwirtschaft als Chance", sagt Jakob Kunzlmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Die Mitarbeitenden spielen eine entscheidende Rolle im Veränderungsprozess. Nur wenige Unternehmen (rund 25 Prozent) geben an, dass die Erwartungen von Mitarbeitenden keinen Einfluss hätten. Banken und Investoren hingegen werden von gut einem Drittel (34 Prozent) der Unternehmen als "eher" oder "völlig unwichtig" für zukünftige Nachhaltigkeitsanstrengungen betrachtet.
red / PM