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"Jobvergabe per Software? Lieber nicht!"

Bewerber sehen KI-Einsatz skeptisch

26. Juli 2022

Die Digitalisierung hält auch bei der Jobsuche und Recruiting rasant Einzug: Die Bewerberauswahl erfolgt per Algorithmen, Kontaktgespräche mit Computerbots. Aber sollte Künstliche Intelligenz wirklich über den Bewerber entscheiden - oder nicht doch lieber die Personalmanager? Die haben zwar oft jahrelange Erfahrung bei der Auswahl von Kandidaten, sind aber auch nicht zu hundert Prozent vorurteilsfrei, wie Studien belegen. Es spricht einiges für, aber auch gegen den Einsatz von Algorithmen im Bewerbungsprozess. Und viele Bewerber sind auf die technologischen Entwicklungen noch überhaupt nicht eingestellt.

KI wird bereits in vielen Schritten des Bewerbungsverfahrens eingesetzt: Lebensläufe und Profile von Jobsuchenden werden in den meisten großen Unternehmen schon länger per Software vorab gescannt, bevor es überhaupt zur "menschlichen" Sichtung kommt. Spezielle Programm entwickeln Fragen für Vorstellungsgespräche, damit diese am Ende besser vergleichbar sind. Auch dass KI die Videos von Bewerbern analysiert und darauf basierend Persönlichkeitsprofile erstellt, ist möglich. In den USA kommt diese Technik schon häufig zum Einsatz, hierzulande ist sie umstritten. 

Viele Bewerber sind auch aufgrund solcher Berichte skeptisch: Laut einer repräsentativen Umfrage, die YouGov im Auftrag von Indeed Ende 2021 durchgeführt hat, lehnen 43 Prozent KI in Bewerbungsprozessen grundsätzlich ab oder eher ab. Gut ein Drittel (32 Prozent) der über 2000 Befragten glaubt auch nicht, dass zum Beispiel mehr Transparenz oder gute Erfahrungen sie offener für diese neue Technik machen würde.

Auch eine weitere, etwas ältere Studie des Video-Recruiting Anbieters viasto gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen respondi zeigt, dass sich mehr als zwei Drittel der Bewerber in Deutschland schlecht oder gar nicht auf die neuen digitalen Methoden rund um Jobsuche und Bewerbung vorbereitet fühlen. Befragt wurden dafür mehr als 1.000 Menschen, die sich in den letzten 3 Jahren mindestens einmal beworben haben. Auch aufgrund dieser Erfahrungen sind sich 80 Prozent der Bewerber zwar sicher, dass Künstliche Intelligenz die Personalauswahl von Arbeitgebern in Zukunft noch stärker prägen wird. Aber das Urteil darüber ist gespalten: Bei der Mehrheit der Bewerber (47 Prozent) gibt es eine Skepsis gegenüber der Digitalisierung im beruflichen Auswahlprozess, nur jeder Vierte steht automatisierten Personalauswahlinstrumenten generell positiv gegenüber.

"Deutschland hinkt bei diesem Thema hinterher", sagt der Recruiting-Experte und Fachbuchautor Tim Verhoeven. "Wir sind dann kritischer, wenn etwas verändert werden soll", so Verhoevens Eindruck. Eine gut gemachte und sinnvoll eingesetzte KI könne aber im Bewerbungsprozess viele Vorteile haben. Wenn eine KI beispielsweise die Termine für eine Personalfachkraft koordiniert oder formale Anforderungen in den Unterlagen prüft, beschleunigt das den Prozess. "Dann haben Recruiter mehr Zeit, um sich mit wirklich mit den Kandidaten zu beschäftigen und diese für das Unternehmen zu begeistern."

Zeitersparnis ist nicht der einzige Grund, warum KI im Recruiting zum Einsatz kommen soll. Könnte ein Algorithmus einen Bewerbungsprozess nicht auch fairer machen? In Studien konnte immer wieder nachgewiesen werden, dass Personalfachkräfte nicht gänzlich vorurteilsfrei entscheiden. Dem ließe sich durch den Einsatz von Algorithmen vorbeugen, so ein naheliegender Gedanke. In der Praxis funktioniert das bisher nicht wie gewünscht. "Es gab Fallbeispiele, bei denen Frauen von KIs systematisch benachteiligt worden sind", sagt Verhoeven. "Das lag an den Datensätzen, die die KI bekommen hat."

Hintergrund: Die KI erkennt Muster in den Daten, die sie gefüttert bekommt. Wenn in einem Unternehmen in der Vergangenheit viel mehr Männer eingestellt worden sind, lernt die KI auf Basis der bisherigen Bewerberdaten, dass Männlichkeit ein Merkmal für Erfolg und Kompetenz sein soll. Dann werden Männer gegenüber Frauen bevorzugt.

Solche Fehlschlüsse sollen sich bei einer KI jedoch einfacher verhindern lassen als beim Menschen. "Wenn eine Künstliche Intelligenz richtig programmiert wird, kann sie dadurch sogar für mehr Fairness und Diversität sorgen", sagt Marlene Pöhlmann. Sie leitet das Berliner Büro des Personalvermittlers Robert Half. Werden aber etwa eingereichte Unterlagen oder Lebensläufe in einem Unternehmen automatisiert eingelesen und analysiert, müssen Format und Formalien stimmen, sonst fallen sie unter Umständen durch das Raster der KI. "Was man machen kann, ist seine Unterlagen als PDF einschicken und ohne Rechtschreibfehler, dann sind sie für eine KI leichter lesbar - aber das ist ja sowieso meist Standard", sagt Verhoeven. Der Experte glaubt aber ohnehin, dass der Einsatz von KIs viel transparenter werden muss, "damit er eine Chance hat, akzeptiert zu werden".

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