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Großes Comeback ins Büro? Nicht wirklich!

Studien zum Thema hybride Arbeit

30. September 2022

Die Deutschen haben Gefallen am hybriden Arbeiten gewonnen: Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bevorzugen flexible Lösungen bei der Wahl ihrer Arbeitsorte. Auch bei den meisten Unternehmen sind - mitunter getrieben von Kostensparzwängen - die Vorbehalte gegen Homeoffice- und andere Remote Work-Modelle auf dem Rückzug, auch wenn sich einige Führungskräfte laut Umfragen immer noch mit der Abwesenheit vieler Mitarbeiter schwer tun. Experten glauben, dass sich der Arbeitsplatz Büro nachhaltig ändern muss, um wieder mehr an Attraktivität zu gewinnen. 

Vor wenigen Tagen verkündeten zwei große deutsche Traditionsunternehmen wichtige Nachrichten in eigener Sache: Der Otto Konzern gab bekannt, einen Teil seiner Mitarbeitenden zwangsweise bis Ende März ins Homeoffice zu schicken, um Energie und damit Kosten zu sparen. An den großen Unternehmensstandorten würden nur noch ausgewählte Gebäude auf bis zu 20 Grad beheizt. In vielen anderen Gebäuden solle die Temperatur auf 6 bis 15 Grad begrenzt werden. Aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen seien dann dort für ein halbes Jahr keine Arbeitsaktivitäten erlaubt, so der Konzern.

Weitgehende Homeoffice-Tätigkeiten sind für Otto allerdings keine Neuheit: Schon Mitte 2021 – nach dem ersten Corona-Jahr - hatte das Unternehmen verkündet, sich anstelle einer verpflichtenden Rückkehr in die Büros nach der Pandemie für ein hybrides Arbeitsmodell mit einer Kombination aus Präsenz- und Remote-Arbeit entschieden zu haben. Kern des Modells seien gemeinsame Entscheidungen der jeweiligen Teams über den am besten passenden Arbeitsort. Die energiesparende "Abschiebung" nachhause in diesem Herbst war also für die meisten Otto-Beschäftigten keine vollkommen ungewöhnliche Maßnahme.

Energiespargründe waren jedenfalls offiziell beim zweiten deutschen Großkonzern nicht der treibende Grund für eine sehr weitreichende Ausweitung der Remote Work-Möglichkeiten seiner Angestellten: Seit dem 1. Oktober 2022 dürfen die Beschäftigten bei Audi an den Standorten Ingolstadt und Neckarsulm ihren Arbeitsort frei wählen. Eine Vorgabe für Präsenztage gibt es nicht. Hinzu kommen ein erweitertes Desk Sharing, neu gestaltete Büroflächen – und finanzielle Unterstützung für Kolleginnen und Kollegen für eine ergonomische Ausstattung zuhause. Die Beschäftigten legen gemeinsam mit ihren Vorgesetzten fest, wann sie ins Büro kommen und wann sie mobil arbeiten. Voraussetzung: Es muss mit der jeweiligen Arbeitsaufgabe vereinbar sein.  Der Autobauer verkündete, man erhoffe sich von der Maßnahme sowohl einen Produktivitätsschub als auch einen Wettbewerbsvorteil im Ringen um neue Beschäftigte.

Otto und Audi sind zwei der prominentesten, aber beileibe nicht die einzigen Unternehmen hierzulande, bei denen der Arbeitsort Büro aus vielerlei Gründen immer mehr an Bedeutung verliert. Beschleunigt zuerst durch die Corona-Pandemie und nun die Energiekrise hat die Umstellung von klassischen Büro- auf Homeoffice-Arbeitsplätze immens an Tempo gewonnen. Gab es vor Corona noch in vielen Unternehmen große Widerstände gegen Homeoffice-Lösungen und ein ortsunabhängiges Arbeiten allgemein, ist die Mehrheit der Firmen mittlerweile von der Tragfähigkeit hybrider Arbeitsmodelle überzeugt: Über 60 Prozent der deutschen Unternehmen planen demnach künftig die Etablierung von solchen Modellen mit ihrer Mischung aus der Arbeit vor Ort und remote. Das ergab eine aktuelle Studie der weltweit operierenden Beratungsagentur „International Data Corporation“ (IDC). Im Vergleich zu den 36 Prozent Zustimmung, die in der Vorjahresstudie ermittelt wurden, ist das ein immenser Anstieg, Allerdings sei parallel dazu auch der Anteil der Unternehmen gestiegen, deren Mitarbeiter (wieder) komplett vor Ort arbeiten, so die Studie.

„Wir sehen, dass die Unternehmen nun einen klareren Blick auf die Dinge haben und heute punktuell anders entscheiden, als sie es noch vor zwölf Monaten geplant hatten. Dennoch sehen wir einen deutlichen Trend in Richtung Hybrid Work,“ sagt Sabrina Schmitt, Senior Consultant und Projektleiterin der Studie. „Unternehmen haben sich im letzten Jahr intensiv mit den unterschiedlichen Arbeitsplatzmodellen beschäftigt. Viele, die unsicher waren, wie ihr Arbeitsplatzmodell künftig aussehen könnte, haben sich nun mehrheitlich für einen hybriden Ansatz entschieden.“

Die Gründe dafür seien vielfältig, so die IDC-Untersuchung: Die Mehrheit der Unternehmen plant künftig Remote Work anzubieten, um die Mitarbeitererfahrung zu verbessern (43 Prozent), die bisher positiven Erfahrungen mit Remote Work fortzuschreiben (40 Prozent), aber auch um ganz pragmatisch Kosten einzusparen (38 Prozent).

Doch nicht alle sehen die neuen Lösungen in Sachen Homeoffice und Büro durchweg positiv: So ergab eine aktuelle Umfrage von Microsoft, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor allem beim Thema Produktivität im Homeoffice nicht auf der gleichen Wellenlänge sind. Rund 85 Prozent der in insgesamt 11 Ländern befragten Führungskräfte geben an, dass es die Umstellung auf hybride Arbeit Ihnen schwierig macht, darauf zu vertrauen, dass die Mitarbeiter produktiv sind.

Dagegen versichern 87 Prozent der Angestellten, dass sie durchaus produktiv bei der Arbeit zuhause sind. Die Erfahrungen der Pandemie hätten ihnen gezeigt, dass sie ihre Arbeit auch aus dem Homeoffice erledigen können. Außerdem gaben die meisten der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an, einen guten Grund zu benötigen, um wieder ins Büro zu kommen: Rund drei Viertel gaben zu Protokoll, dass dass ein besserer Grund sein müsste, als nur die Erwartungen des Unternehmens.

Eine Lösung für dieses Problem könnte sein, dass aus Sicht vieler Angestellte die Büros ihrer Unternehmen (noch) nicht optimal auf die neue Situation und die sich daraus ergebenden Bedürfnisse eingerichtet sind. Laut einer Umfrage von Steelcase hat sich der Wunsch, im Büro einen privaten, abgeschirmten Bereich für sich nutzen zu können, gegenüber den Vor-Pandemie-Jahren nochmals deutlich verstärkt. So gaben 58 Prozent der befragten Angestellten in Deutschland an, dass für sie vollständig oder teilweise abgeschlossene Arbeitsbereiche wichtiger sind als vor der Corona – laut Experten sicher auch eine Folge der Erfahrungen mit den „ruhigen“ Homeoffice-Zeiten, in denen viele Menschen erlebt hätten, wie es ist, ohne Ablenkungen arbeiten zu können.

Zu erwarten ist jedenfalls, dass der Remote-Work-Anteil, der sich in Deutschland derzeit bei rund 1,4 Tagen in der Woche eingependelt hat – und damit im internationalen Mittelfeld liegt – in den nächsten Jahren nochmals steigen wird. Denn viele Beschäftigte, so eine aktuelle ifo-Studie, möchten die Arbeit von zuhause nicht mehr missen. Und rund ein Drittel würde sich sogar eine neue Arbeitsstelle suchen, wenn ihr Arbeitgeber nur noch Präsenzarbeit anbietet.

Text: Thorben Hansen

 

 

 

 

 


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