Als Reaktion auf den Corona-bedingten Homeoffice-Schub fordert der Kasseler Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schroeder eine „Strategie Guter Arbeit in einer hybriden Arbeitskultur". Diese soll unter anderem Qualifizierungsmöglichkeiten festlegen, gute Rahmenbedingungen für das Arbeiten daheim definieren und Mitbestimmung sichern. Das von Schroeder geleitete Projekte „Arbeitsweltberichterstattung in Hessen“ hatte für das hessische Sozialministerium aktuelle Studien zur Nutzung des Homeoffice ausgewertet.
„Die Arbeit im Home-Office befähigt die einen und gibt ihnen mehr Freiräume, sie zeigt aber auch bestehende und neu entstehende Spaltungen auf", resümiert Schroeder, der an der Universität Kassel das Fachgebiet „Politisches System der BRD“ leitet. Er schlägt in einem Policy Paper konkret für Hessen ein „Netzwerk Gute hybride Arbeit“ als Unterstützungsinfrastruktur für die Transformation der Arbeitswelt vor.
Wirtschaftsförderung bei der Digitalisierung dürfe sich nicht auf Technologien, Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten beschränken, sondern müsse auch die Belange der Beschäftigten insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen in den Blick nehmen. Ziel müsse sein, die soziale Interaktion der Beschäftigten, die Elemente des Arbeitsschutzes sowie einen Zugang zu Bildung und Weiterbildung, zu sozialer und digitaler Infrastruktur auch im Homeoffice abzusichern. Der Kasseler Politikwissenschaftler hatte für das Projekt „Arbeitsweltberichterstattung Hessen" ein gutes Dutzend wissenschaftliche Studien sowie den DGB-Index "Gute Arbeit" für Hessen ausgewertet. Dies ist eine regelmäßige repräsentative Befragung von Beschäftigten, die erstmals mit einer Zusatzerhebung genaue Daten für das Bundesland Hessen liefert.
Die Ergebnisse der ausgewerteten Erhebungen waren zum Teil überraschend: So weitete sich zwar Homeoffice durch die Corona-Effekte quantitativ deutlich aus, andererseits waren aber nur 10 Prozent der "Heimarbeiter" erstmals im Homeoffice tätig. „Das Arbeiten zuhause ist also kein Corona-spezifisches Phänomen, sondern Merkmal eines tiefgreifenden Wandels der Arbeitswelt“, kommentierte Schroeder. Jüngere Menschen arbeiteten laut DGB-Index seltener von zu Hause aus, die Kohorte zwischen 26 und 35 Jahren ist sogar diejenige mit der geringsten Quote (16 %). Vor allem aber zeige sich eine Spaltung in Personen, denen Homeoffice ermöglicht werde und die es sich leisten können, und andere, denen die nötigen Arbeitsmittel und Räumlichkeiten zu Hause nicht zur Verfügung stehen oder denen der Weg ins Homeoffice eher verbaut werde. Zur zweiten Gruppe gehörten überdurchschnittlich häufig Migrantinnen und Migranten sowie – aus einer Anzahl verschiedener Gründe – Frauen.
„Auffällig ist, dass Unternehmen mit einer starken Arbeitnehmer-Mitbestimmung die Organisation von Homeoffice besser gelingt“, bemerkt Schroeder. „Ein Hebel zu guter Arbeit liegt also darin, Mitbestimmungsinstitutionen zu stärken. Dazu gehört es insbesondere, digitale Zugangsrechte für Betriebsräte und Gewerkschaften zu sichern.“ Damit positive Effekte wie Arbeitszufriedenheit und Produktivität gefördert würden, seien Regelungen zum Arbeitsschutz, zur Zeiterfassung, zum Daten- und Versicherungsschutz, zur steuerlichen Absetzbarkeit und zur betrieblichen Mitbestimmung zu berücksichtigen.