Bewertungsportale ermöglichen Jobsuchenden, sich darüber zu informieren, welchen Ruf ein potenzieller Arbeitgeber bei den Beschäftigten hat. Das erfordert von Firmen, konstruktiv und offener als je zuvor auf Kritik und interne Probleme zu reagieren. Wie sollten deutsche Unternehmen damit umgehen?
Wer ein Auto kaufen will, macht zuerst eine Probefahrt. Wer sich um einen Studienplatz bewirbt, informiert sich womöglich bei Absolventen der Uni. Und wer essen gehen möchte, etwa im Urlaub, greift auf Reiseführer und mittlerweile auch auf Google Maps-Bewertungen zurück. Dass es irgendwann auch die Möglichkeit geben würde, sich über potentielle Arbeitgeber zu informieren, war vor diesem Hintergrund absehbar. Mit Bewertungsplattformen wie beispielsweise kununu* oder Glassdoor wurde die Unternehmenskultur für Bewerberinnen dann vor einigen Jahren schließlich greif- und sichtbar. Bei kununu etwa können Angestellte anhand von 160 möglichen Wertebegriffen die Arbeitskultur ihres Arbeitgebers zu beschreiben. Haben genügend Menschen ihre Einschätzung abgegeben, damit die Ergebnisse aussagekräftig sind, werden diese veröffentlicht.
"Wie so viele Dinge hat sich auch das Thema Employer Branding demokratisiert. Durch die Bewertungsplattformen kann jeder Informationen einholen und selbst eine Meinung veröffentlichen, sogar Führungskräfte werden dort bewertet. Wissenschaftlich ausgedrückt: Die Transaktionskosten, die eigene Meinung öffentlich mitzuteilen, sind gesunken", erklärt Prof. Isabell M. Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München.
Employer Branding: Außendarstellung und Realität müssen mehr denn je übereinstimmen
Wer sich für einen Job bewerben möchte, kann also herausfinden, ob eine Firma zu ihm passt – in Bereichen wie Work-Life-Balance, Zusammenarbeit, Führung und strategische Ausrichtung. Während einige Menschen lieber in einem traditionellen Unternehmen arbeiten möchten, bevorzugen andere moderne und agile Teams. Eine Studie des HR-Marktforschungsunternehmens Trendence im Auftrag eines interuniversitären Forscherteams der Universität Innsbruck, der FH Krems und der WU Wien zeigt: Immer mehr Menschen nutzen diese Angebote. Und jeder zweite Kandidatin verzichtet sogar auf eine Bewerbung, wenn sich die Bewertungen nicht mit der Außendarstellung des potentiellen Arbeitgebers decken.
"Unternehmen sollten prüfen, ob ihre Außendarstellung damit übereinstimmt, was sie intern leben", empfiehlt auch Welpe. "Viele schrecken allerdings nach wie vor davor zurück, dies klar zu formulieren. Zudem gehen viele Unternehmen das Thema nicht empirisch genug an." Es sei wichtig, potentielle Mitarbeiter nach ihren Bedürfnissen zu befragen. Auch Bewertungen lassen sich auf diesen Aspekt hin auswerten. "Die Ergebnisse sollten sie damit abgleichen, was sie und die Konkurrenz eben nicht zu bieten haben. Die Schnittmenge daraus stellt die Employer Brand dar", lautet der Rat der Expertin für Unternehmen.
Schlechter kununu-Score: Wie reagieren Unternehmen?
Nicht nur eine Beschreibung der Kultur, sondern auch konkretes, negatives Feedback kann via kununu oder Glassdoor veröffentlicht werden. Insbesondere das stellt Unternehmen vor Herausforderungen. Sie verlieren die Deutungshoheit über ihr Image, wie Kira Niklas und Stephan Rathgeber von der neuen Talent Acquisition Platform onlyfy in ihrem E-Book „New Hiring. Ein neues Bewusstsein im Recruiting“ erklären.
Und wie gehen Unternehmen nun damit um? "Wegen schlechter Bewertungen werden Unternehmen eher dann aktiv, so meine Einschätzung, wenn sie im Vergleich mit der Konkurrenz schlechter abschneiden", vermutet Welpe von der TUM. Insbesondere Start-ups seien durch mögliche schlechte Bewertungen bedroht.
„Für Arbeitnehmer ist es wichtig zu sehen, wenn auf die Bewertungen eingegangen wird und dass Unternehmen zeigen, dass man offen für Kritik und Veränderungswünsche ist“, erklären die Branchenexperten Niklas und Rathgeber. An sich sei es ja positiv und praktisch, dass keine aufwendigen Mitarbeiter-Befragungen nötig sind, sondern die Daten bereits öffentlich vorliegen. Auch selbst Transparenz - nach innen wie nach außen - zu schaffen, sei eine erfolgreiche Strategie. Offenheit erhöht bei den eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Zufriedenheit mit dem Unternehmen - und damit auch die Empfehlungsquote nach außen. Und soziale Netzwerke bieten die Chance, Außenstehenden einen Blick in den Unternehmensalltag zu gewähren. So können diese sich selbst ein Bild machen, über die von anderen formulierten Bewertungen hinaus.
Julia Koch
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