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„Es ändert sich viel, wenn man Betroffene zu Beteiligten macht“

Interview mit Alnatura-GF Alexander Hüge

30. August 2022

Gesunde Lebensmittel zu verkaufen, das reichte Alnatura vor einigen Jahren nicht mehr: In der neuen Strategie des renommierten Bio-Unternehmens findet sich Nachhaltigkeit in allen Bereichen des Unternehmens wieder. Für ihre neu konzipierte Art der Zusammenarbeit gewannen Alexander Hüge, Geschäftsführer für Mitarbeiterservice und -entwicklung, und seine Kollegen den New Work Award 2022. Im Interview mit dem NWX Magazin erzählt er, warum Sinnhaftigkeit mittlerweile ein besonderer Benefit für die Gewinnung neuer Mitarbeiterinnen ist und welchen Einfluss neue Arbeitsorte auf die Unternehmenskultur haben.

NWX Magazin: Alnatura ist seit 35 Jahren ökologisch unterwegs – den New Work Award hat Ihr Unternehmen kürzlich für die nachhaltige soziale Zusammenarbeit bekommen. Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit bei Alnatura?

Alexander Hüge: Einen sehr hohen. Alles, was wir angehen, muss grundsätzlich nachhaltig sein. „Sinnvoll für Mensch und Erde“ ist unsere Handlungsmaxime. Deshalb ist unser Begriff von Nachhaltigkeit sehr vielschichtig: Zum einen sind da die klassischen ökologischen Aspekte: Jede Abteilung hat eigene Nachhaltigkeitsziele und die Nachhaltigkeitsabteilung überprüft kontinuierlich, dass wir diese erreichen. Aber auch ökonomisch sind wir als Unternehmen nachhaltig aufgestellt. Wir sind ein inhabergeführtes Unternehmen, dadurch ist unsere Tätigkeit per se schon mit einer größeren Langfristigkeit versehen. Alnatura ist in einer Doppelstiftung organisiert, das Unternehmen gehört sich selbst und ist nicht verkäuflich. Im Shareholder-Value-Konzept oder bei Aktiengesellschaften gelten kürzere Perspektiven, da muss man immer darauf achten, dass der nächste Quartalsbericht gut wirkt. 

Und nun kommt auch noch die soziale Dimension dazu?

Alexander Hüge: Ganz neu ist der Ansatz für uns nicht. Wir hatten schon 2018 begonnen, unsere Zusammenarbeit neu zu denken. Der Kern waren damals die 145 Alnatura-Märkte, in denen wir den Grad der unternehmerischen Freiheit gesteigert haben. Das war so erfolgreich, dass wir dann auch in den Zentralbereichen auf unserem Campus schauen wollten, wie wir dort die Zusammenarbeit stärken können. Wir sind zwar noch recht klassisch strukturiert mit Bereichen, Abteilungen und Teams, was ein Silo-Denken und -Handeln eigentlich begünstigt. Im Projekt sind wir aber mehr in ein Miteinander und Füreinander gekommen und haben das selbstverantwortliche Handeln gestärkt. Es ändert sich sehr viel in einem Unternehmen, wenn man in den Entscheidungen die Betroffenen zu Beteiligten macht.

Der Campus ist ja vor einigen Jahren umgezogen…

Alexander Hüge: Ja, statt verteilt auf einzelne Standorte arbeiten wir nun alle in unserer neuen Arbeitswelt in Darmstadt zusammen. Und tatsächlich verändern Orte die Art und Weise der Zusammenarbeit. Das Gebäude ist sehr offen und transparent gestaltet, so dass man sich unkompliziert begegnen kann und gerne hierherkommt.

Zahlt so eine offene Unternehmenskultur auch auf die Gewinnung und das langfristige Halten der Fachkräfte ein?

Alexander Hüge: Auf jeden Fall, denn gerade die junge Generation hat andere Ansprüche und andere Erwartungen an die Arbeit. Mit dem wichtigen Aspekt Nachhaltigkeit – in allen Dimensionen – gelingt es uns, die Menschen zu begeistern und die Attraktivität als Unternehmen zu steigern. Ich glaube, es klappt gut, Fachkräfte nachhaltig zu halten, weil wir ein ganzheitliches Menschenbild haben und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht auf ihre Arbeitskraft reduzieren. Wir fragen kontinuierlich, was man braucht, um sich dauerhaft und langfristig bei uns wohlzufühlen.

Auch der „Purpose“, den Sie den Fachkräften mit der ökologischen Ausrichtung bieten können, darf dabei sicher nicht unterschätzt werden.

Alexander Hüge: Das war tatsächlich auch für mich ganz persönlich der Grund, warum ich vor fünf Jahren zu Alnatura gekommen bin. Ich wollte für ein Unternehmen arbeiten, von dem ich weiß, dass dahinter eine sinnvolle Philosophie steht und in dem man einen positiven Beitrag für Klima-, Umwelt- und Tierschutz leisten kann. Das zeigt sich auch immer wieder in den Gesprächen mit den Kandidatinnen und Kandidaten, dass entweder aus einem nachhaltigem Lebensstil heraus schon eine hohe Bindung zu den Bio-Produkten von Alnatura vorhanden ist oder dass die Menschen auch ihren Beitrag für eine bessere Zukunft leisten wollen.

Nachhaltigkeit sticht also Geld?

Alexander Hüge: Natürlich schauen die Bewerberinnen und Bewerber auch auf das Gesamtpaket, und eine faire Bezahlung ist selbstverständlich. Man merkt aber schon, dass die Leute nicht nur das Argument treibt, Geld verdienen zu wollen. Sinnhaftigkeit bieten zu können, ist für uns als Mittelständler schon ein besonderer Benefit. Das Thema Nachhaltigkeit begleitet uns ja nicht erst seit gestern, das macht uns in der Situation, in der sich nun sehr viele Unternehmen um den Klimaschutz bemühen, sehr glaubwürdig.

Muss man neben Sinnhaftigkeit und guter kollegialen Zusammenarbeit mehr bieten, um die Leute zu halten, im Sinne einer nachhaltigen Personalpolitik?

Alexander Hüge: Wir haben natürlich darüber hinaus auch Benefits, aber beispielsweise eine Tankkarte würde so gar nicht zu unserer Philosophie passen. Wir haben für unsere vielen Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer ein tolles Fahrradhaus gebaut, wir bieten Fahrradleasing an und haben Umkleiden und Duschen, wenn die Leute weitere Strecken mit dem Fahrrad zur Arbeit zurücklegen. Außerdem bekommt jeder Mitarbeiter einen Arbeitstag zur freien Verfügung:  Das Projekt heißt „Alnatura wirkt“ und jedes Team sucht sich eigenverantwortlich eine Aufgabe für den Tag aus. Ob die Mitarbeitenden dann einen Spielplatz wieder fit machen oder sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, ist komplett ihnen überlassen

Wie hat sich für Sie persönlich die Arbeit durch das Prinzip der kollegialen Zusammenarbeit verändert?

Alexander Hüge: Ich habe für meinen Bereich Mitarbeiterservice und -entwicklung schon den nächsten Schritt vorweggenommen. Wir haben die Organisation umgebaut und flachere Hierarchien etabliert. Dadurch wurde unsere Arbeitsweise noch besser – aber es gibt auch neue Herausforderungen für die Führung. Ich muss mich immer wieder ermahnen, mich nicht einzumischen, Geduld zu haben und dem Team zu vertrauen. Ich sehe mich deshalb eher als Entwicklungsbegleiter für die Mitarbeitenden.

Das Interview führte Maria Zeitler

 


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