Endorsement

"Mentale Gesundheit ist auch eine Führungsaufgabe"

Interview mit Reinhild Fürstenberg / GF Fürstenberg Institut

20. Dezember 2023

Reinhild Fürstenberg ist eine der führenden Expertinnen zum Thema Arbeit und Gesundheit. Im Interview mit dem NWX Magazin spricht sie über die Verantwortung der Unternehmen für das psychische Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden, Wellness-Shows für Führungskräfte und die Arbeit als Glücksfaktor.

Gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, regelmäßige Vorsorge – die meisten Menschen wissen, wie sie sich körperlich gesund und leistungsfähig halten können. Doch was ist mit der Psyche? Psychische Erkrankungen wie Angst- oder Suchtstörungen, Depression oder Burnout nehmen seit Jahren zu und verursachen überdurchschnittlich steigende Fehlzeiten. Unter den Folgen leiden nicht nur die Betroffenen selbst und ihr direktes Arbeitsumfeld, sondern auch Führungskräfte – zusätzlich zum hohen Workload müssen sie Ausfälle und mentale Belastungen in ihren Teams kompensieren. Unternehmen sollten das Thema Mental Health deshalb aktiv angehen, rät Reinhild Fürstenberg*. Die Gründerin des gleichnamigen Instituts bietet Firmen dabei professionelle Unterstützung an. 

Frau Fürstenberg, welche Leistungen bieten Sie Unternehmen, die sich um die mentale Gesundheit ihrer Beschäftigten sorgen?

Reinhild Fürstenberg: Wir beraten Unternehmen zum Thema Mental Health auf allen Ebenen. Kern unseres Angebots ist die individuelle Hilfestellung für alle Mitarbeitenden und Führungskräfte. Unsere Kunden schließen in der Regel langfristige Pauschalverträge für Beratung und Coaching der gesamten Belegschaft. Bei Problemen oder in belastenden Situationen können sich alle Mitarbeitenden mit - oder auch kurzfristig ohne - Terminabsprache an uns wenden, und zwar absolut vertraulich, ohne dass Vorgesetzte oder Kollegen davon erfahren. 

Beraten Sie online oder face-to-face?

Fürstenberg: Sowohl als auch. Unser Team besteht aus rund 200 festangestellten und 100 freien Beraterinnen und Beratern in ganz Deutschland, darunter Psychologen, Pädagogen, Ärzte und sogar Theologen. Vor Corona hat rund 90 Prozent in Präsenz stattgefunden, aber wir hatten bereits digitale Angebote, um unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielgruppen gerecht zu werden. Inzwischen sind es 60 Prozent online, 20 Prozent am Telefon und 20 Prozent face2face. 

Wie kommt Ihr Service in den Unternehmen an?

Fürstenberg: Sehr gut. Wir werden bei einem sehr breiten Spektrum an Fragen und Problemen kontaktiert, sei es Ärger mit dem Chef, eine belastende Umstrukturierung, ein plötzlicher Todesfall, aber auch familiäre Sorgen oder Beziehungsstress bis hin zu Schulden, Suchtproblemen, Ängsten oder Depressionen. Wer den Kopf nicht mehr allein frei bekommt, dem helfen wir dabei, zu einer Lösung zu finden. 

Erfordern Depressionen oder Suchterkrankungen nicht dringend eine professionelle Therapie?

Fürstenberg: Selbstverständlich, wenn Menschen ihr Potenzial zur Selbsthilfe bei uns in der Beratung nicht aktivieren können, gehören sie in Therapie. In diesem Fall helfen wir bei der Vermittlung von Therapieplätzen. Allerdings stoßen wir dabei mittlerweile an unsere Grenzen: Für viele Menschen mit Therapiebedarf sind wir die erste verfügbare Anlaufstelle und leisten oft notgedrungen Überbrückungshilfe, bis endlich ein Platz für sie frei wird. Das bindet bei uns Kapazitäten und verursacht Kosten durch Ausfallzeiten für unsere Kunden. 

Die Unternehmen zahlen für Ihre Leistungen. Sind die Firmen denn überhaupt für die mentale Gesundheit ihrer Angestellten zuständig?

Fürstenberg: Grundsätzlich sind wir zuallererst selbst für unsere Gesundheit verantwortlich. Allerdings ist es ein Fakt, dass die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen in den letzten 10 Jahren um 48 Prozent gestiegen sind. Unternehmen sind mit den Folgen konfrontiert und brauchen Lösungen – egal, ob sie verantwortlich sind. Wer nichts unternimmt, gerät schnell in eine gefährliche Abwärtsspirale: In vielen Firmen herrscht bereits Zeitdruck und Personalmangel. Fallen Mitarbeitende wegen der Dauerbelastung aus, wird es für die verbleibenden noch stressiger. Die Folge: Sie werden schneller krank und verursachen noch mehr Fehlzeiten. Aus meiner Sicht haben Unternehmen keine andere Wahl, als sich um die mentale Gesundheit ihrer Beschäftigten zu kümmern. Und natürlich um gesunde Rahmenbedingungen. 

Ist das schon bei den Unternehmen angekommen?

Fürstenberg: Ich denke, es gibt noch Luft nach oben. Mit einem Obstkorb ist es jedenfalls nicht getan. Ich erlebe immer mal wieder, dass Unternehmen das Thema nur oberflächlich angehen. Zum Beispiel wollte eine Firma mit uns ein Projekt zur Fehlzeitenreduzierung durchführen. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden sollten Maßnahmen erarbeitet werden, doch für die Umsetzung war keinerlei Budget eingeplant. Ein anderes Unternehmen wollte eine Handvoll Führungskräfte mit einer „Gesundheitsschulung“ im teuren Wellness-Hotel bei Laune halten, nach dem Motto „Pflegen Sie die mal ein bisschen“. Das war pure Show, solche Aufträge lehnen wir ab. 

Was schlagen Sie stattdessen vor? Wie fördert man nachhaltig die mentale Gesundheit?

Fürstenberg: Zum Erfolg gehören drei Ebenen. Erstens: Das Top-Management muss voll dahinter stehen und sollte Gesundheit wie jeden anderen betriebsrelevanten Faktor anhand von Kennzahlen messen und bewerten. Zweitens: Eine Treppe wird nur von oben nach unten sauber. Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle und sollten für das Thema sensibilisiert und darin unterstützt werden. Wir bieten deshalb Beratung speziell für Führungskräfte an: Wie können sie Mitarbeitende auf psychische Probleme ansprechen? Was darf man jemandem in einer seelischen Krise zumuten? Wie finden sie selbst aus belastenden Situationen wieder heraus? Drittens: Alle Mitarbeitenden benötigen Zugang zu geeigneten Maßnahmen. Wir haben nicht gelernt, wie wir uns mental gesund halten. Das sollte man den Menschen im Unternehmen beibringen.

Wären wir ohne Arbeit besser dran?

Fürstenberg: Nein, der Arbeitsplatz sorgt ja nicht nur für Stress, sondern gibt auch Sicherheit und Struktur und hat so einen positiven Einfluss auf die mentale Gesundheit. Ganz besonders in den Firmen, die gut für gesunde Rahmenbedingungen sorgen. Viele Menschen sind glücklich mit ihrem Job und dem Unternehmen, für das sie arbeiten – das sollte man nicht vergessen. In vielen Unternehmen läuft es gut, das ist also machbar. 

Mit Reinhild Fürstenberg sprach Kirstin von Elm

*Unsere Gesprächspartnerin: Reinhild Fürstenberg ist Gründerin, Gesellschafterin und Geschäftsführerin des Fürstenberg Instituts in Hamburg. Seit mehr als 30 Jahren unterstützt das Beratungsunternehmen Firmen dabei, ihre Beschäftigten mental gesund und leistungsstark zu halten. Das Leistungsportfolio umfasst neben der individuellen Beratung für Mitarbeitende und Führungskräfte die gesundheitsorientierte Organisationsberatung sowie Entwicklungs- und Qualifizierungsangebote. 

 

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