Coaching, Stimmtraining, raumgreifendes Auftreten – bevor talentierte Frauen Karriere machen, bekommen sie oft erst einmal ein Coaching. Damit fängt das Problem schon an, sagt Wiebke Ankersen. Und fordert: "Schluss mit der Frauenförderung – befördert sie einfach!"
„Die ist noch nicht so weit“ – wie oft haben wir das über Kandidatinnen für Führungspositionen gehört. Es klingt immer ein wenig, als ginge es um unreife Tomaten. Aber im Ernst: Der Satz steht für eine problematische Praxis in deutschen Unternehmen.
Anstatt befördert zu werden, bekommen talentierte Frauen gern erst einmal Fördermaßnahmen: Coaching, Stimmtraining, raumgreifendes Auftreten, männliche Spielregeln, die Palette ist breit. Verantwortliche sichern ihre eigene Unsicherheit angesichts der Beförderung weiblicher Führungskräfte gern durch zusätzliche Schulungen ab.
Was viele noch nicht begriffen haben (auch viele Frauen nicht): Frauen sind gut, so, wie sie sind – auch wenn sie nicht aussehen und sich an manchen Stellen anders verhalten als die meisten Männer. Daran muss man sich einfach gewöhnen, sonst kommen wir nicht weiter.
Deutschland hat starke Rollenbilder
Frauen sind keine unperfekten Männer, die optimiert werden müssen. Sie sind nur dann „zu leise“, „zu sehr auf Inhalte fixiert“ oder „zu selbstkritisch“, wenn traditionell männliche Verhaltensweisen das Maß aller Dinge sind.
Frauen wachsen in Deutschland, wo stereotype Rollenbilder stark sind, anders auf, die Mehrzahl bekommt Kinder, macht andere Erfahrungen und hat daher meist andere Sicht- und Verhaltensweisen. Und das ist völlig in Ordnung. Das ist sogar wertvoll. Ganz besonders im Zusammenspiel mit Männern.
Wir brauchen mehr Respekt, mehr Wertschätzung für das, was Frauen als Führungskräfte mitbringen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir einmal deutlich mehr Frauen in verantwortlichen Positionen sehen, denn zurzeit wählen viele angesichts des hohen Anpassungsdrucks andere Wege.
Traut euch. Befördert Frauen einfach in entscheidende Positionen. Und dann: Haltet es aus, dass sie anders aussehen und sich anders verhalten. Ihre Perspektive ist genauso relevant wie die männliche. Was denn sonst? Genau das ist schließlich der Gewinn bei der Diversität.
Die Autorin: *Dr. Wiebke Ankersen führt gemeinsam mit Christian Berg die gemeinnützige deutsch-schwedische Allbright-Stiftung, die sich für einen Kulturwandel in den Unternehmen und mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt.
(Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne "Chefinnensache" beim RedaktionsNetzwerk Deutschland)