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"Ohne Titel werden Unternehmen für die junge Generation attraktiver"

Leadership-Expertin Heike Bruch zum Hierarchieabbau bei der AXA Schweiz

9. Februar 2024

Es war ein sehr überraschender Schritt für ein vermeintlich konservatives Unternehmen: Anfang des Jahres entfernte die AXA Schweiz alle Titel im Organigramm und von Visitenkarten. Titel oder Statussymbole würden nur veraltete, hierarchisch geprägte Strukturen fördern, so die Begründung. Im Interview mit dem NWX Magazin erklärt Leadership-Expertin Prof. Heike Bruch, warum diese Veränderung sowohl für die Motivation der Mitarbeiter als auch für die Suche nach jungen Fachkräften ein großer Vorteil sein kann.

Die Änderungen in der Organisationsstruktur der AXA sind Teil eines umfassenden Projekts, das darauf abzielt, die Arbeitsorganisation des Unternehmens zu modernisieren. Im Rahmen dieses Prozesses wurden 13 Verantwortungsstufen und 450 Jobprofile neu definiert. Diese Jobprofile beschreiben die wichtigsten Aufgaben, Anforderungen und Verantwortungsbereiche der jeweiligen Positionen. Durch diese Neugestaltung sollen die Verantwortung im Unternehmen breiter verteilt und den Mitarbeitenden größere Entscheidungsbefugnisse gewährt werden.

Die Einführung dieser neuen Struktur geht einher mit dem Ziel, die Arbeitskultur zu verändern. Die AXA Schweiz strebe eine Arbeitsumgebung an, in der alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Position einen wertvollen Beitrag zum Unternehmen leisten können, so das Unternehmen. Gleichzeitig habe man auch ein neues Lohnsystem eingeführt, das insbesondere in Bezug auf Boni mehr Transparenz bieten soll. Im Interview mit dem NWX Magazin erklärt Prof. Heike Bruch*, Professorin für Leadership an der Universität St. Gallen, warum die Entscheidung dem Unternehmen entscheidende Vorteile auf dem aktuellen Arbeitsmarkt bringen könnte.

NWX Magazin: Frau Professor Bruch, wie bewerten Sie die neue Strategie der AXA Schweiz?

Prof. Heike Bruch: Der Abbau von Titeln und Statussymbolen ist ein sehr konsequenter Schritt, wenn eine Firma weniger hierarchisch und damit moderner arbeiten will. AXA ist damit im Finanzsektor sicher eine der Vorreiterinnen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels macht sich AXA so auf dem Arbeitsmarkt attraktiver. Das sendet an Menschen, die gestalten und Verantwortung übernehmen wollen, ein wichtiges Signal. Insbesondere wird sehr klar dem „Prince-Charles“-Syndrom entgegengewirkt. Gerade in klassischen Unternehmen wird es oft als demotivierend empfunden, wenn Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten stark eingeschränkt und auf Jahre hin verbaut sind.

Wie sehen Sie die Auswirkungen dieser Veränderung auf die Arbeitskultur und die Mitarbeitermotivation, insbesondere bei der jüngeren Generation?

Bruch: Vor allem junge Menschen oder auch Quereinsteiger profitieren davon. Mit den 13 Verantwortungsstufen sind die Entwicklungsschritte kleiner und vielfältiger. Dies ermöglicht es, rascher im Unternehmen Verantwortung zu übernehmen und etwas zu bewegen.

Könnte dieser Ansatz auch Risiken bergen, etwa, dass erfahrene Arbeitskräfte sich weniger wertgeschätzt fühlen?

Bruch: Es gibt verschiedene Risiken. Zum einen ist da die Demotivation für diejenigen, die bisher Titel und höhere hierarchische Positionen innehatten. Bei anderen Unternehmen, die auch diese Richtung gegangen sind, ist der Effekt vor allem sehr stark, wenn zusätzlich auch die Gehälter angeglichen werden und einige weniger verdienen. Ein zweites entscheidendes Risiko ist, dass der Titelabbau nur eine Fassadenrenovierung ist. Denn positiv wirkt der Abbau von Titeln nur dann, wenn er authentisch ist und die Kultur tatsächlich Kooperation und weniger hierarchische Führung fördert. Wenn Änderungen nur an der Oberfläche ansetzen, sind sie demotivierend für alle Beteiligten.

Wie beurteilen Sie die langfristigen Auswirkungen dieser strukturellen Veränderung auf die Unternehmensleistung und die Attraktivität von AXA als Arbeitgeber?

Bruch: AXA ist mit dieser Maßnahme sicherlich eine der Vorreiterinnen in ihrer Branche. Eine Ad Hoc Aktion oder Einzelmaßnahme kann dies nicht sein. Eingebettet in eine glaubwürdige Leadership- und Kulturtransformation machen sich Unternehmen, die sich auf diese Weise zukunftsorientiert aufstellen, attraktiver, flexibler und resilienter. Damit ziehen Unternehmen Menschen an, die agiler arbeiten wollen und stärken Zusammenhalt sowie Integration. Eine Transformation in Richtung einer modernen attraktiven Hochleistungskultur ist angesichts der Umbrüche auf dem Markt und besonders auf dem Arbeitsmarkt heute schon entscheidend. Künftig wird sie alternativlos sein. 

*Zur Person: Heike Bruch ist Professorin für Leadership und Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen (Schweiz). Sie ist außerdem Vorstandsmitglied der DGFP (Deutsche Gesellschaft für Führung) und leitet den "Leadership of tomorrow"-Award. 

 

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