Frauen sind im Job unzufriedener als Männer – und das hat strukturelle Gründe. Wiebke Ankersen*, Geschäftsführerin der AllBright Stiftung, erklärt, warum Unternehmen noch immer nach männlichen Karrieremodellen funktionieren, was sie von Schweden lernen können und warum Frauen gut daran tun, ihren Arbeitgeber notfalls zu wechseln. Ein Gespräch über faire Chancen, sinnvolle Flexibilität und die richtige Partnerwahl.
NWX Magazin: Frau Ankersen, die aktuelle XING Wechselbereitschaftstudie zeigt, dass Frauen im Job deutlich unzufriedener sind als Männer und häufiger über einen Wechsel nachdenken. Welche strukturellen Probleme in Unternehmen sehen Sie als Hauptursache für diese Unzufriedenheit, insbesondere in Führungspositionen?
Wiebke Ankersen: Frauen stemmen in der Regel den Großteil der Haus- und Familienarbeit und sind, solange das so ist, auf größtmögliche Flexibilität im Job angewiesen. In vielen Unternehmen orientieren sich die Karrierewege aber noch immer am ständig verfügbaren männlichen Mitarbeiter, dem zu Hause jemand den Rücken freihält. Das tut bei den Frauen nur meistens keiner und dann wird es sehr anstrengend. Außerdem sind weibliche Führungskräfte zunehmend gefragt, sie können sich also gut umschauen, ob sie anderswo bessere Arbeitsbedingungen und Chancen vorfinden.
Ein zentraler Faktor für die Wechselbereitschaft von Frauen ist Stress, oft verursacht durch eine mangelnde Unterstützung durch Führungskräfte. Was muss sich in der Unternehmenskultur ändern, damit Frauen nicht zwischen Beruf und Familie aufgerieben werden?
Ankersen: In Schweden ist Dual Career inzwischen der Standard, nicht die Ausnahme: beide Partner arbeiten in der Regel Vollzeit. Das hat zu einer Unternehmenskultur geführt, in der das Privatleben eine hohe Priorität hat. Der Chef oder die Chefin geht pünktlich und für alle gut sichtbar nach Hause, um zu signalisieren: es ist in Ordnung, sich um seine Kinder zu kümmern und ein Privatleben zu haben. Wer jeden Tag bis 20 Uhr am Schreibtisch sitzt, ist kein Held, sondern wird gefragt, ob er Probleme hat, seine Arbeit zu bewältigen, ob er Hilfe braucht. Es gibt keine festen Meetings nach 16 Uhr, damit Personen, die ihre Kinder abholen müssen, nicht von wichtigen Informationen und Entscheidungen abgeschnitten sind.
Und es gibt ein ganz gutes Augenmaß bei den Führungskräften: muss alles wirklich immer sofort und mit höchster Dringlichkeit erledigt werden? Es kann viel Druck rausgenommen werden, wenn man wichtig von nicht ganz so wichtig unterscheiden kann.
Die XING-Studie belegt auch, dass Frauen sich stärker als Männer nach flexiblen Arbeitszeitmodellen und Homeoffice-Möglichkeiten sehnen. Welche Best Practices sehen Sie in Unternehmen, die diese Wünsche erfolgreich umgesetzt haben, ohne dass Frauen dadurch in ihrer Karriere stagnieren?
Ankersen: Die Kunst ist es, auch mit den Männern zu arbeiten und sie zu ermuntern, Verantwortung für ihre Familie zu übernehmen. Gute Unternehmen nehmen auch werdende Väter beiseite und fragen, wie sie es machen wollen, wenn das Kleine da ist: die Hälfte der Elternzeit? Zurück in Teilzeit? Mit dem kranken Kind zu Hause bleiben? Es macht einen Riesenunterschied, was Unternehmen den Männern da signalisieren, viele Männer glauben ja immer noch, es wäre das Ende ihrer Karriere. Aber nur, wenn wir an Väter dieselben Erwartungen haben wie an Mütter, können wir eine Balance in den Karrierewegen erreichen. Es gilt die einfache Rechnung: wenn wir mehr Frauen in Führungspositionen sehen wollen, brauchen wir mehr Männer in Elternzeit und Teilzeit.
Obwohl Frauen laut Studie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt optimistischer einschätzen als Männer, bleibt das Risiko von Altersarmut für Frauen ein großes Problem. Welche Maßnahmen sollten Arbeitgeber ergreifen, um langfristig mehr Lohngerechtigkeit und finanzielle Sicherheit für Frauen zu gewährleisten?
Ankersen: Arbeitgeber sollten auf eine menschliche Vollzeit setzen, mit flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsweisen. Frauen werden nur dann ökonomisch unabhängig und sicher vor Altersarmut sein, wenn sie zumindest vollzeitnah arbeiten. Dafür braucht es Flexibilität, Vertrauen und Respekt vor dem Privatleben. Und natürlich braucht es Fair Pay, der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass Frauen für die gleiche Arbeit nicht schlechter bezahlt werden als Männer – dafür müssen systematisch Daten erhoben und ausgewertet werden.
Während Männer fehlende Aufstiegschancen häufiger als Wechselgrund angeben, scheint dies für Frauen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Liegt das an geringeren Erwartungen, mangelnden Förderprogrammen oder strukturellen Barrieren? Was raten Sie Frauen, die sich beruflich weiterentwickeln wollen?
Ankersen: Männer wechseln, wenn sie nicht weiterkommen, Frauen nicht unbedingt. Von Männern wird selbstverständlich Karriere erwartet, da sind die gesellschaftlichen Normen stark. Für sie ist es meist keine Alternative, auf Beförderung zu verzichten, um ihre Hauptenergie eine Zeitlang in Haushalt und Kinder zu stecken. Für Frauen schon. Sie arbeiten deshalb besonders oft in Teilzeit oder unter ihrem Qualifikationsniveau: weil ihnen eine Führungsrolle nicht mit einem gelungenen Familienleben vereinbar scheint. Oder aber, weil ihr Potential nicht gesehen und genutzt wird und sie ganz einfach steckenbleiben.
Ich rate Frauen, die vorankommen wollen, erstens: Augen auf bei der Partnerwahl. Und zweitens: im Zweifel den Arbeitgeber zu wechseln, denn für sie wird Treue zum Unternehmen oft nicht belohnt. Unternehmen haben immer noch Probleme, das Potential ihrer Mitarbeiterinnen richtig einzuschätzen. Männliche Vorstandsmitglieder haben in der Regel im eigenen Unternehmen Karriere gemacht, Frauen bleiben häufiger stecken und werden eher befördert, wenn sie den Arbeitgeber wechseln.
Interview: rk / red
*Zur Person: Dr. Wiebke Ankersen führt gemeinsam mit Christian Berg die gemeinnützige deutsch-schwedische Allbright-Stiftung, die sich für einen Kulturwandel in den Unternehmen und mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt. Die Stiftung präsentiert aktuelle Fakten und Studien, sensibilisiert und fordert von den Unternehmen konkrete Ergebnisse bei der Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsteams ein.