Früher undenkbar, heute bemerkenswerter Trend: Auch in deutschen Unternehmen arbeiten immer mehr Top-Managerinnen und -Manager in Teilzeit. Um als Führungskräfte neue Arbeitsmodelle wie etwa Tandemjobs erfolgreich zu etablieren, braucht es aber sowohl organisatorische Umstellungen als auch Vertrauen und Toleranz im Team.
Teilzeitmodelle für Führungskräfte sind inzwischen in vielen großen deutschen Unternehmen gelebte Praxis, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Neben der klassischen Reduzierung der geleisteten Wochenstunden hat sich vor allem das Modell des Job-Tandems zunehmend etabliert. So teilen sich bei einem Großteil der DAX-Konzerne inzwischen Menschen Führungspositionen, so die dpa-Umfrage. Bei Mercedes-Benz sind es 420 Führungskräfte, die Stellen von der Teamleitungs- bis zur Bereichsleitungsebene im Tandem ausfüllen, bei Daimler Truck sind es 100 Tandems. Bei Porsche arbeiten 20 Tandems bis hoch zur zweiten Führungsebene.
Bei der Deutschen Bank werden schon bei Ausschreibungen Tandem-fähige Jobs als solche markiert. Siemens oder Eon schreiben Managementpositionen mit einer Teilzeitoption aus. Bei anderen Unternehmen handelt es sich noch um individuell gestrickte Lösungen. Der Anteil der Führungspositionen in Teilzeit hielt sich dort, wo es erhoben wurde, aber immer noch in Grenzen und bewegte sich eher im einstelligen Prozentbereich.
"Wir sehen, dass die Anzahl von Teilzeitverhältnissen in der Führung zunimmt. Aber mit Sicherheit ist das immer noch die Ausnahme", so die Personal-Expertin Petra Kneip von der Hochschule Reutlingen. Generell sei Führung in Teilzeit keine Frage der Unternehmensgröße, sondern eine Frage der Kultur und der konkreten Jobanforderungen. Je höher man komme, desto schwieriger werde es, Verantwortung zu teilen.
Soll das Modell, Führungskraft sein und in Teilzeit arbeiten, zeitweise oder sogar dauerhaft funktionieren, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Und zwar sowohl auf Arbeitgeberseite wie bei der Führungskraft selbst, so XING-Insiderin Gudrun Happich in einem aktuellen Beitrag. Laut der Führungskräfte-Coachin ist die wichtigste Voraussetzung dafür: "Beide Seiten müssen sich öffnen". Firmen etwa gegenüber dem Gedanken, dass ein Unternehmensbereich im Jobsharing-Modell von zwei Personen geführt wird - und dies vielleicht ebenso gut funktionieren kann, wie mit einer Führungskraft. Menschen mit Leitungsposition gegenüber folgendem Prinzip: "Ich muss austauschbar sein können. Ich muss meine Entscheidungen transparent machen".
Führungskräfte, die in Teilzeit arbeiten wollen, sollten Happich zufolge lernen, wichtige Aufgaben zu delegieren. Außerdem: Kontrolle abgeben und die eigenen Mitarbeiter "entscheidungskompetent" machen. Wichtig dabei: Zeit einplanen, denn wirkungsvolles Delegieren geht nicht von heute auf morgen. Und: den Mitarbeitern vertrauen. Das sei schließlich die Basis dafür, wichtige Aufgaben überhaupt erfolgreich delegieren zu können, so Happich, "und die Kontrollabgabe nicht wieder durch toxisches Micromanagement zu konterkarieren".
Fragen sollten sich Führungskräfte zudem: "Welche Ziele will ich mit meiner Teilzeitarbeit erreichen - persönlich wie beruflich? Wie setze ich diese am besten um?" Denn besonders wenn man als Führungskraft in Teilzeit arbeite, sei es wichtig, die richtigen Prioritäten zu setzen. Anderenfalls sei die Gefahr riesig, von einem Berg an To-Dos begraben zu werden - "und den Plan zur Teilzeittätigkeit frühzeitig wieder über Bord zu werfen", so Happich.
Sie rät, erst einmal alles daran zu setzen, dass die Umstellung auf Teilzeit "irgendwie" funktioniert - etwa mit Hilfe von "effektivem Stressmanagement" oder der Einführung digitaler Tools zum Führen auf Distanz. Hätten sich die Wogen nach einigen Monaten geglättet, könnte man sich daran machen, die Prozesse der Teilzeitführung Schritt für Schritt zu optimieren.
TH / red