Die Diskussion über die Rückkehr aus dem Homeoffice ins Büro ist auch in Deutschland in vollem Gange. Bei der Suche nach der besten Lösung geht es um Produktivität, Teamgeist, Kontrolle, Work-Life-Balance. Wir fassen aktuelle Statistiken, Studien und Expertenmeinungen zusammen.
Für den Vorstand der Deutschen Telekom ist die Sache klar: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Konzerns sollten wieder mehr ins Büro kommen, dringend. Timotheus Höttges bemüht dazu nahezu dramatisch klingende Argumente: Durch das Homeoffice sei "ein hohes Maß an Vitalität in unserer Konzernzentrale verloren gegangen", so der Telekom-Vorstandsvorsitzender. Das persönliche Gespräch und die Kreativität würden "oft auf der Strecke bleiben". Damit sei "jene Unternehmenskultur, die für das Ziel, das führende digitale Telekommunikationsunternehmen zu werden, von zentraler Bedeutung ist, durch das Homeoffice bedroht", so Höttges weiter. Zwar bliebe die Möglichkeit, zuhause zu arbeiten, bei der Telekom gegeben - aber schon in naher Zukunft würden den Mitarbeitenden des Konzerns konkrete Vorgaben gemacht, die sie dazu bewegen sollen, weniger im Homeoffice und mehr am Arbeitsplatz zu arbeiten.
Die Rückkehr von Arbeitnehmern aus dem Homeoffice ins Büro ist ein globaler Trend, der vor allem auch in den USA zu beobachten ist. Dort drängen viele Unternehmen auf eine Präsenz ihrer Mitarbeiter im Büro, mit nicht immer freundlichen Methoden. So hat beispielsweise Amazon begonnen, mahnende E-Mails an Mitarbeiter zu senden, die in den vergangenen Wochen nicht an mindestens drei Tagen pro Woche ins Büro gekommen sind. Bei der Werbeagentur Publicis wurde US-Angestellten sogar angekündigt, dass sich zu wenige Tage im Büro bald negativ auf die weitere Karriere auswirken würden, "einschließlich auf Gehaltserhöhungen, Bonuszahlungen und Beförderungen", wie das Branchenmedium AdWeek aus einem internen Memo zitierte - eine Drohung, die auch Google, einst Vorreiter der Homeoffice-Welle, gegenüber seinen Mitarbeitenden aussprach. Selbst Unternehmen wie Zoom, die während der Pandemie stark vom Homeoffice-Boom profitiert haben, beordern ihre Mitarbeiter mit deutlichen Worten zurück ins Büro.
Und auch da, wo Arbeit zuhause noch möglich ist, werden die Bandagen enger gezogen: Einige US-Unternehmen setzen sogar Überwachungssoftware ein, um die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter im Homeoffice zu überwachen. Diese Software kann beispielsweise die besuchten Websites, den Beginn und die Dauer der Besuche, die Tastenanschläge und den Inhalt von E-Mails überwachen.
Von solchen amerikanischen Verhaltensweisen, die traditionell schon immer etwas weniger arbeitnehmerfreundlich waren, sind die allermeisten deutschen Unternehmen noch weit entfernt. Doch auch hier herrscht in vielen Führungsetagen der Wunsch nach alten Bürozeiten: Bei einer aktuellen KPMG-Umfrage sprachen sich 68 Prozent der deutschen Firmenentscheider dafür aus, in Zukunft komplett auf Remote-Arbeit verzichten zu wollen. Die genauen Gründe, warum die CEOs das Homeoffice ablehnen, wurden nicht veröffentlicht. Die Studienautoren von KPMG bezeichnen es als "traditionelles Denken".
Derzeit gestatten nach einer Studie des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in Zusammenarbeit mit dem Personaldienstleister Randstad noch 61 Prozent der deutschen Unternehmen ihren Mitarbeitenden, von zu Hause aus zu arbeiten. Im Durchschnitt erlauben die Firmen hierzulande ihren Beschäftigten 6,4 Tage Homeoffice pro Monat, eine leichte Abnahme von 6,7 Tagen im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt arbeitet derzeit knapp ein Viertel aller deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zumindest teilweise im Homeoffice, im Vergleich zu rund 8 Prozent vor der Corona-Pandemie. Die ifo-Untersuchung deutete auch auf eine zunehmende Polarisierung in der neuen Arbeitswelt hin: Große Unternehmen setzen vermehrt auf Homeoffice, während kleinere Betriebe und der Handel eher zurückhaltend sind. Insbesondere letztere tendieren dazu, seltener Homeoffice zu erlauben.
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit seinen Homeoffice-Werten weit vorne, beispielsweise auf dem zweiten Platz unter 17 europäischen Ländern. Nur das Vereinigte Königreich liegt in Europa mit 1,5 Tagen pro Woche vor Deutschland. Weltweit sind unter insgesamt 34 Ländern nur noch Kanada mit 1,7, die USA mit 1,4 und Australien mit 1,3 Tagen pro Woche vor Deutschland platziert.
Und die heimischen Heimarbeiter liefern keine schlechten Ergebnisse, zumindest nach eigener Einschätzung: Laut einer Umfrage der Technischen Universität Darmstadt unter 1.136 deutschen Wissensarbeitern fühlen sich 76 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice produktiv, im Büro sind es nur 61 Prozent. Überraschenderweise gab sogar jeder fünfte Befragte an, im Büro unproduktiv zu sein (im Homeoffice sind es nur 11 Prozent). An alternativen Orten wie Cafés oder Coworking Spaces fühlt sich derzeit weniger als die Hälfte der Befragten produktiv.
Zwar geben Beschäftigte, die von zu Hause aus arbeiten, zu, dass sowohl die Menge als auch die Zeit, die sie für ihre Arbeit aufwenden, zugenommen haben. Dennoch empfinden 62 Prozent der Befragten ihre Arbeitsergebnisse als qualitativ besser. Das entspricht auch den Ergebnissen einiger anderer großen Untersuchungen zu dem Thema.
Und trotz Mehrbelastung wirkt sich das Arbeiten von zu Hause aus scheinbar auch positiv auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter aus. Der Studie zufolge sind 81 Prozent der Heimarbeiter mit ihrer Arbeit insgesamt zufrieden, aber nur 57 Prozent der Büroarbeiter. Dies sei nur einer der Gründe warum "Arbeitgeber in Zukunft verstärkt auf den Wunsch ihrer Mitarbeiter nach mehr Telearbeit eingehen müssen", sagt Kyra Voll, Projektleiterin am Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebslehre der TU Darmstadt.
Auch die KPMG-Unternehmensberater empfehlen nach Auswertung ihrer Studie Führungskräften, "langfristig zu denken, wenn es um die Wünsche von Mitarbeitern nach Hybrid- und Fernarbeit geht, um Talente fördern und halten zu können". Vor der Einführung eines strengen Bürozwangs warnen sie ausdrücklich, weil gerade Angehörige der nachrückenden Generationen ihre Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber auch von einer Flexibilität bei Arbeitsort und Arbeitszeit abhängig machen, wie jüngst unter anderem eine Studie der Uni Konstanz und auch der XING-Generationencheck bestätigten: "Wer nicht über Benefits wie Homeoffice nachdenkt, wird einen Teil dieser Generation als Arbeitgeber erst gar nicht erreichen“. so XING-Arbeitsmarktexperte Dr. Julian Stahl.
Dem allen gegenüber stehen die Sorgen von Unternehmen wie der Telekom: Zwar gibt es - außer einigen wenigen, nicht repräsentativen Studien aus den USA - keine verlässlichen Erhebungen über konkrete negative Folgen der neuen Homeoffice-Leidenschaften im Sinne die Produktivität und "harten Zahlen" der Unternehmen. Stattdessen registrieren viele Führungskräfte - abgesehen von den vielen leerstehenden Gebäudeteilen in den Firmen - bei den "weichen Faktoren" einen Verlust von Kreativität, Teamfähigkeit, Loyalität und Kommunikation. Auch die zufällige Begegnung, das Gespräch auf dem Flur, aus dem plötzlich eine Idee hervorgeht, würde leiden, wenn wir nur noch zu Hause und damit "in durch und durch privater, nicht beruflicher Atmosphäre" vor den Bildschirmen sitzen. Dies seien Negativentwicklungen, die sich erst mittel- und langfristig auf die Ergebnisse der Unternehmen auswirken würde, so die Argumentation der "Back to the office"-Befürworter.
So glauben nach einer vor wenigen Tagen veröffentlichten weiteren Umfrage des ifo-Instituts immerhin rund 32 Prozent der Unternehmen an eine Steigerung der Produktivität bei einer vollständigen Rückkehr ihrer Beschäftigten ins Büro, während nur acht Prozent einen Produktivitätsrückgang befürchten. Eine Mehrheit von 60 Prozent allerdings erwartet keinerlei Veränderung. “Die mehrheitlich positiven Erfahrungen mit der Produktivität sind ein wichtiger Grund, warum sich das Homeoffice in vielen deutschen Unternehmen doch etabliert hat”, so Mathias Dolls, Forscher am ifo-Institut.
Und so sind, trotz der heimlichen Vorliebe der meisten Chefinnen und Chefs für eine möglichst vollständige Mannschaft vor Ort, die meisten Rückholaktionen wohlüberlegte Kompromisse und freundliche Angebote. Denn "mit harten Ansagen und Bevormundung holt man niemanden zurück ins Büro", wie selbst das unternehmerfreundliche Handelsblatt kommentierte. Ob es nun eine 2/3- oder 3/2-Regelung zwischen Wochentagen im Homeoffice und dem Firmensitz ist, oder eine gute und sinnvolle Koordination zwischen gemeinsamen Teamarbeiten vor Ort oder individueller Aufgabenerfüllung zuhause. Ob es eine attraktive moderne Gestaltung der Arbeitsplätze gibt oder eine Unternehmenskultur, die das "Wir" in Transparenz und Mitbestimmung jenseits aller Imagebroschüren wirklich lebt - all diese Faktoren können nach Meinung vieler Experten dabei helfen, eine Form hybrider Arbeitsort-Selbstbestimmung zu etablieren, die beiden Seiten Spaß und Erfolg bringt.
Wenn aber das alles nicht hilft, um die leidenschaftlichen Mitarbeiter gibt es noch eine Trumpfkarte mit Erfolgsgarantie. Denn auch der Tierfutterhersteller Caesar hat eine Umfrage zum Thema Homeoffice vs. Büro gemacht. Das Ergebnis: Sind Hunde im Büro erlaubt, kommen nicht nur viel mehr Hundebesitzer zurück an ihren alten Arbeitsplatz, sondern auch viele andere Kolleginnen und Kollegen. Wegen der guten Laune und Entspannung, die Bürohunde verbreiten. Ebenfalls wissenschaftlich erwiesen.
TH / rk