Schafft die Vier-Tage-Woche glücklichere Menschen? Oder stürzt die Produktivität der Unternehmen ab? Oder gelingt beides mit der Verkürzung der Arbeitszeit: Zufriedene Menschen, die produktiver arbeiten? Fünfzig deutsche Firmen wollen das in einem groß angelegten Experiment herausfinden.
In Deutschland startet erstmalig ein umfassendes Pilotprojekt zur Einführung der Vier-Tage-Woche: Danach werden im kommenden Jahr Unternehmen aus verschiedenen Branchen und unterschiedlicher Größe das Arbeitszeitmodell testen. Im Zeitraum von Februar bis August 2024 werden mehr als 50 Unternehmen ihre Arbeitszeit von fünf auf vier Tage reduzieren, während das Gehalt unverändert bleibt, so ein Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Die Initiative 4 Day Week Global begleitet das Projekt und führte bereits vor einiger Zeit den größten Test zur Vier-Tage-Woche in Großbritannien durch. Die deutsche Pilotstudie wird von der Universität Münster wissenschaftlich unterstützt und ausgewertet. Die Unternehmensberatung Intraprenör hilft den Firmen bei der Auswahl geeigneter Arbeitszeitmodelle. Es gibt kein einheitliches Modell für alle Unternehmen und Beschäftigte.
Das Ziel des Projekts ist eine Reduktion der Arbeitsstunden bei gleichbleibendem Gehalt. Jan Bühren von Intraprenör bezeichnet dies als das sogenannte 100-80-100-Prinzip, also 100 Prozent Gehalt, 80 Prozent Arbeitszeit und 100 Prozent Leistung. Die Unternehmen werden individuelle Lösungen finden, um dieses Prinzip umzusetzen. „Wir erhoffen uns von der Pilotstudie eine Weiterentwicklung der Diskussion über die Viertagewoche. Dafür schaffen wir eine Grundlage“, so Bühren.
Die positive Wirkung der Vier-Tage-Woche wird in Deutschland schon länger intensiv diskutiert. Viele Unternehmen haben das Arbeitszeitmodell bereits eingeführt, jedoch fehlt bisher ein systematischer und wissenschaftlich begleiteter Test über verschiedene Branchen hinweg. Die Pilotstudie soll dazu beitragen, die Diskussion über die Vier-Tage-Woche weiterzuentwickeln und eine Grundlage dafür zu schaffen. Bei der Studie werden sowohl die positiven Effekte als auch mögliche Nachteile und Risiken beleuchtet.
Das Projekt wird von einem Beirat begleitet, der unter anderem Vertreter der Gewerkschaft IG Metall, des Arbeitgeberverbands BDA und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks umfasst. Zentrale Fragen sind dabei die Arbeitszeitwünsche und die Gesundheit der Beschäftigten. Die Viertagewoche wird auch als Beitrag zur Förderung von Gleichstellung, Klimaschutz und Arbeitgeberattraktivität betrachtet.
Kristian Schalter vom Arbeitgeberverband BDA erhofft sich von der Studie eine breite Datenbasis, um Möglichkeiten und Grenzen des Modells besser zu verstehen. „Spannend wird die Frage sein, ob ein Absenken der Arbeitszeit mit einer signifikanten Produktivitätssteigerung einhergeht. Ohne diese Steigerung der Produktivität wäre das Modell der Vier-Tage-Woche für Unternehmen langfristig kaum tragbar“, so Schalter gegenüber dem RND.
Mehrere Modellversuche haben gezeigt, dass kürzere Arbeitszeiten nicht zwangsläufig zu geringerer Produktivität und Umsatzverlusten führen. Im britischen Testzeitraum im Jahr 2022 wurden die Umsätze der beteiligten Unternehmen größtenteils stabil gehalten und sogar um durchschnittlich 1,4 Prozent gesteigert. Zusätzlich verbesserten sich die Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten, das Burn-out-Risiko sank um 71 Prozent und die Zahl der Krankheitstage ging um zwei Drittel zurück. Viele Beschäftigte konnten Beruf und Haushalt besser vereinbaren und ihre bezahlte Arbeit besser mit Care-Aufgaben in Einklang bringen. Nach dem Modellversuch führten neun von zehn Unternehmen die Vier-Tage-Woche fort.
red/rk