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So kombiniert man sinnvoll Arbeit im Homeoffice und Büro

Interview mit Josephine Charlotte Hofmann / Fraunhofer IAO

13. November 2023

Die Diskussion über unsere Arbeitsplätze reißt nicht ab.  Wo arbeiten Menschen wirklich effektiver – im Homeoffice oder im Büro? Warum ist es wichtig, dass Beschäftigte regelmäßig in die Firma kommen? Höchste Zeit, eine echte Expertin auf dem Gebiet zu fragen: Dr. Josephine Charlotte Hofmann* forscht am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zum Thema. Im Interview mit NWX Magazin-Autorin Daniela Lukaßen-Held spricht sie über vermeintliche und echte Produktivität, Hauruck-Aktionen von Chefs und einsame Freitagvormittage im Büro.

Frau Dr. Hofmann, 68 Prozent der deutschen Firmenentscheiderinnen und -entscheider sprechen sich dafür aus, zukünftig auf Remote Work verzichten zu wollen. Warum ist dies so? Und können Sie dieses Anliegen nachvollziehen?

Dr. Josephine Charlotte Hofmann: Das erscheint mir eine große Zahl zu sein. Ich kann sie insofern nachvollziehen, als dass es in einer Nach-Corona-Euphorie ein hohes Ausmaß an geschätzter Machbarkeit und Unbedenklichkeit hinsichtlich Remote Work und mobiler Arbeit gab. Wir lesen allerdings nun regelmäßig Schlagzeilen, dass mit Hauruck-Aktionen die Flexibilität wieder eingeschränkt wird. Das kommt nicht gut bei den Beschäftigten an und ist manchmal schlecht begründet. 

Können Sie hier einen Unterschied in der Akzeptanz von Remote Work zwischen großen Unternehmen und kleineren Betrieben feststellen?

Hofmann: Mir ist er nicht bekannt und es ist auch nicht empirisch unterlegt. In größeren Unternehmen ist es sicherlich einfacher umzusetzen, weil es dort oft institutionelle Mitbestimmung, sprich einen Betriebsrat gibt, der das anders einfordert als ein kleiner Mittelständler. Durch Corona sind auf jeden Fall sehr viel mehr Unternehmen in diese Arbeitsform eingestiegen. 

Einer Umfrage der Technischen Universität Darmstadt zufolge gaben 76 Prozent der 1.136 Befragten an, im Homeoffice produktiver zu sein. Ist das eine Einschätzung, die Sie teilen?

Hofmann: Unseren Studien zufolge bleibt die Produktivität immer mindestens gleich, manchmal ist sie größer. In wenigen Fällen nimmt sie ab. Das grundsätzlich positive Bild können wir teilen. Dass sie steigt, liegt zum einen daran, dass nicht jeder Arbeitnehmer die eingesparte Reisezeit nutzt, um Wäsche zu waschen oder joggen zu gehen, sondern sich früher an den Schreibtisch setzt und arbeitet. Zum anderen daran, dass übliche Pausen und Gespräche im Homeoffice nicht mehr stattfinden. Das Problem ist, dass die informellen Gespräche "über den Schreibtisch" nicht so wertgeschätzt werden, sodass mancher froh ist, dass sie nicht mehr da sind. Diese Gespräche haben aber eine wichtige Funktion im gemeinsamen Arbeiten, weil man voneinander lernt. Es ist ein Kurzschluss zu denken, man arbeitet von morgens bis abends nur noch durch, guckt nicht mehr rechts und links und ist dann produktiver. Denn ganz viele Jobs leben davon, dass man miteinander spricht, gemeinsam Dinge entwickelt und ungeplant auf neue Ideen kommt. 

Zuhause konzentriert man sich mehr auf die individuell einschätzbaren, autonom erledigbaren Aufgaben. Nicht wenige Mitarbeitenden machen im Homeoffice wenige Pausen, was für die Gesundheit problematisch ist aber ebenfalls einen Erklärungsbeitrag dazu leistet, dass mehr gearbeitet wird. Durch Corona und den vermehrten Einsatz der virtuellen Kollaborationstools haben wir uns eine andere Arbeitsrhythmisierung angewöhnt und packen uns viel mehr Meetings in den Tag. Kurzfristig kann das die Produktivität fördern, ob das langfristig sinnvoll ist und gute Arbeitsergebnisse hervorbringt, steht auf einem anderen Blatt.

Die Zufriedenheit wird von Beschäftigten im Homeoffice insgesamt besser bewertet als unter Beschäftigten, die im Büro arbeiten. Ist das ein Aspekt, den Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im Blick haben müssen? Kann die Möglichkeit, Remote-Arbeiten anzubieten, hier auch zukünftig ein Aspekt sein, um neue Beschäftigte zu gewinnen und sie zu binden?

Hofmann:: Unbedingt. Dass Unternehmen ihre Beschäftigten teilweise komplett ins Büro zurückholen, kommt schlecht an und ist wenig erfolgversprechend. Keiner mag sich wegnehmen lassen, was er mal hatte. Oft sind die Beschäftigten, die dann kündigen, jene, die man nicht verlieren möchte. Natürlich müssen Arbeitgeber heute flexibilitätsfördernde Arbeitsbedingungen bezüglich Zeit und Ort anbieten, Sie kommen gar nicht mehr drum herum. In manchen Branchen und Qualifikationsgruppen wird es fast erwartet, da ist es ein No-Go, es nicht anzubieten. Die Frage ist: Wie kann man es gestalten, dass Arbeit im Büro und Arbeit an anderen Orten auf eine gute Art kombiniert werden? Wie kann man es erreichen, dass man die Dinge, die zu den jeweiligen Orten gut passen, auch dort macht? Und gleichzeitig das soziale Miteinander, die Bindung, gut abbildet, damit so etwas wie soziale Erosion nicht passiert. 

Die Rückkehr von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus dem Homeoffice ins Büro ist ein globaler Trend. Die Methoden der US-Unternehmen reichen bis hin zu Drohungen, dass zu viele Homeoffice-Anteile der eigenen Karriere schaden würden oder zum Einsatz von Überwachungssoftware, die nachvollzieht, was Beschäftigte im Homeoffice machen. Ist das ein Trend, den Sie – vielleicht auch in abgeschwächter Form – bei uns beobachten? 

Hofmann: Zum Einen geht hierzulande ganz vieles, was aus den USA herüber schwappt, wegen des deutschen Arbeitsrechts nicht: Etwas, das Sie jahrelang gewährt haben, können Sie nicht einfach einkassieren. Man wird auch nicht einfach eine Betriebsvereinbarung kündigen, selbst wenn man es kann. Als Arbeitgeber kriegen Sie die Quittung, weil die Arbeitnehmenden die "Abstimmung mit den Füßen" machen und kündigen. Man muss es als Arbeitgeber im Portfolio haben und in einem vernünftigen Ausmaß gestalten. Das heißt, dass dieser Mix möglichst mit den Menschen gestaltet wird und auch mehrwertig sein muss. Es macht keinen Sinn, Menschen zurückzubeordern, wenn außer ihnen an einem Freitagvormittag niemand im Büro ist. Man muss sich überlegen: Was gibt es für Tätigkeiten und an welchem Ort lassen sich diese am besten erledigen, was lohnt sich am meisten? 

Wir beobachten schon, dass sich die Diskussion stark gedreht hat: Vor Corona mussten Mitarbeitende sich erklären und es war eher eine Ausnahme, dass sie ortsflexibel arbeiten. Heute ist es manchmal so, dass Arbeitgeber begründen müssen, warum ihre Arbeitnehmer vor Ort erscheinen sollten. Beides ist nicht gut. Arbeitgeber sollten Verständnis dafür schaffen, dass es keine Willkür, sondern eine Notwendigkeit ist, wenn es um Themen wie Kreativität oder Wissensaustausch in einer Betriebsgemeinschaft geht. In der Connected World-Studie** zeigte sich: Menschen, die viel im Homeoffice arbeiten, sagen, dass sie den Kontakt zu ihren Kollegen verlieren und nicht mehr richtig mitkriegen, was passiert. Und höhere Prozentzahlen dieser Befragtengruppe sagen auch, dass sie ein wenig das Interesse verlieren. Da muss man aufpassen, nicht zu einseitig auf individuell fixierte Flexibilität und Vereinbarkeit zu gucken und dabei das große Ganze aus dem Blick zu verlieren. Das können wir uns, glaube ich, nicht leisten. Arbeitgeber müssen zwar diese Arbeitsformen anbieten, weil sie sonst nicht wettbewerbsfähig sind. Und trotzdem sollten die Mitarbeitenden nicht nur noch zuhause sitzen, sondern zu bestimmten Zeiten, zu verabredeten Themen im Büro sein. Das in geteilter und gemeinsamer Verantwortung hinzubekommen, ist eine der ganz großen Fragestellungen.

 

*Unsere Gesprächspartnerin: Dr. Josephine Charlotte Hofmann, Leitung Zusammenarbeit und Führung, Forschungsbereich Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung Fraunhofer IAO / Universität Stuttgart IAT.

**„Performance hybrider Arbeit“, Studie des Projektes Connected Work Innovation Hub. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Studienautorin Dr. Josephine Charlotte Hofmann 

 

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